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Ambulante Eingriffe: Operation to go

In Berlin wird nicht nur in Krankenhäusern, sondern zunehmend auch beim niedergelassenen Arzt nebenan operiert

Einen Kaffee noch, dann geht es wieder nach Hause. Wolfgang Abraham, 66 Jahre alt, sitzt gemütlich im Aufwachzimmer einer Kreuzberger Arztpraxis. Gerade ist er hier – im dritten Stock eines Altbaus in der Gneisenaustraße – am Auge operiert worden. Abraham litt an Grauem Star, seine Linse war getrübt. Augenärztin Marianne Danisevskis setzte eine künstliche Linse ein; 20 Minuten dauerte der Eingriff. Jetzt, nach einer Stunde im Ruheraum, wird Abraham nach Hause gehen. Er wohnt um die Ecke, am Halleschen Tor.

Immer mehr Berliner lassen sich ambulant operieren, ein Großteil von ihnen bei einem niedergelassenen Arzt. „Der Kranke ist nach wenigen Stunden wieder in seiner vertrauten Umgebung“, sagt Ansgar Pett, Vorsitzender des Berliner Verbandes Ambulantes Operieren. Häufig werde man nach einem chirurgischen Eingriff in den eigenen vier Wänden schneller gesund als in einer Klinik. Wichtig ist auch, dass die Gefahr, sich mit Keimen zu infizieren, geringer ist als in Krankenhäusern. Dort tragen nicht nur die vielen Patienten, sondern auch die Besucher Krankheitserreger hinein.

Bei der Entscheidung, ambulant oder stationär in einem Krankenhaus zu operieren, spielen aber auch andere Motive eine Rolle: Die Kosten für einen ambulanten Eingriff sind deutlich niedriger als bei einer stationären Operation. Eine ambulante Behandlung wegen Grauem Star kostet derzeit etwa 700 Euro. Bei einem stationären Eingriff fallen rund 20 Prozent mehr an Kosten an. Und diese Augenoperation ist dabei auch stationär noch relativ günstig: Nach Auskunft der Techniker Krankenkasse kostet beispielsweise die Spiegelung eines Kniegelenkes ambulant nur etwa 860 Euro, bei einem Klinikaufenthalt 1500 Euro. Operationen nach einem Leistenbruch werden bei niedergelassenen Medizinern mit knapp 800 Euro veranschlagt, stationär kostet der selbe Eingriff rund 2000 Euro.

Laut Gesetz sind ambulante Eingriffe, wo immer sie möglich sind, stationären Behandlungen vorzuziehen. Allein 2006 haben nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin die Praxisärzte der Stadt rund 280 000 ambulante Operationen durchgeführt – rund 30 000 mehr als die Krankenhäuser. Besonders häufig werden neben der Augenlinse Gelenkknorpel, Rachenmandeln und Krampfadern operiert. Die Krankenkassen wollen die Zahl der ambulanten Eingriffe weiter erhöhen.

Doch der Weg ins Krankenhaus lässt sich nicht immer vermeiden. Wenn Patienten chronisch an einer schweren Erkrankung – etwa Diabetes – leiden oder es nach der Operation zu Blutungen kommen könnte, ist eine stationäre Versorgung unerlässlich. Sich in einer Klinik operieren lassen sollte auch, wer alleine wohnt und zu Hause nicht versorgt werden kann. Die Berliner Patientenbeauftragte Karin Stötzner rät deshalb, sicher zu gehen, dass man als Patient die ersten 24 Stunden nach dem Eingriff nicht allein zu Hause verbringt.

Immer wieder machen darüber hinaus Gerüchte die Runde, dass mancher niedergelassene Arzt im unsauberen Hinterzimmer operiert. Gerade die großen Krankenhäuser genießen dagegen den Ruf als sichere und tausendfach erprobte Institutionen. Obwohl immer mehr Berliner die persönliche Atmosphäre in einer Arztpraxis der Stimmung in einer anonymen Großklinik vorziehen, wollen sich einige lieber im Krankenhaus operieren lassen, weil sie sich dort sicherer fühlen.

Knapp 1400 Berliner Mediziner besitzen bislang die Zulassung, ambulant zu operieren. Die Kassenärztliche Vereinigung überwacht die Einhaltung von Qualitätsstandards. „Die Ärzte müssen bestimmte Hygieneanforderungen erfüllen", sagt Pett. Allerdings kann ein Patient nicht immer auf den ersten Blick sehen, ob sein Operateur tatsächlich allen Ansprüchen genügt.

„Am besten man fragt gezielt nach“, rät Thomas Kreutzer, der als Anästhesist regelmäßig ambulante Operationen betreut. Wie oft ein Arzt operiert, sei dabei genauso wichtig, wie die Anzahl der Komplikationen, die er dabei gehabt hat. „Fühlt sich der Arzt bei genauer Nachfrage beleidigt, ist er wohl kaum der richtige für eine vertrauensvolle Behandlung.“ Im vergangenen Jahr wurden 59 ambulant operierende Ärzte von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin einer Einzelfallprüfung unterzogen. Bei fünf Medizinern gab es schwere Beanstandungen. Nach einem Untersuchungsverfahren könnte ihnen die Genehmigung für Operationen entzogen werden.

Von fehlendem Vertrauen und unsauberen Hinterzimmern ist bei Marianne Danisevskis in der Gneisenaustraße nichts zu spüren. Ihre Patienten und die sieben Mitarbeiter kennen sich, es herrscht eine vertraute Atmosphäre. Seit 1993 operiert Danisevskis ambulant. Jahrelang hat sie zuvor in Kliniken gearbeitet. Dort sei der enge Stellenplan ein Problem. Zudem wüssten die Ärzte bis zur Operation oft nicht, mit wem sie arbeiten werden. Dass Krankenhäuser schneller auf unvorhergesehene Notfälle reagieren können, wissen die meisten niedergelassenen Ärzte allerdings.Hannes Heine

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