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Berlin: „Amerikanischer als der Times Square“

Eine Konferenz untersucht, was Berlin mit New York verbindet. Der Potsdamer Platz gehört dazu. Hans Stimmann erklärt, warum

Berlin und New York werden gern miteinander verglichen. Ob sich aus solchen Vergleichen etwas lernen lässt, diskutieren derzeit Fachleute auf einer Konferenz im Haus der Kulturen der Welt. Dabei geht es um den Umgang mit öffentlichem Raum ebenso wie um Integrationspolitik. Am Sonnabend will der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann mit dem New Yorker Politikwissenschaftler Marshall Berman über „spektakuläre Orte“ sprechen: Es geht um den Potsdamer Platz und Times Square. Mit Hans Stimmann sprach Werner van Bebber.

Herr Stimmann, was gefällt Ihnen am Potsdamer Platz?

Mir gefällt der einigermaßen gelungene Versuch, den Bezug zur abgeräumten Geschichte herzustellen.

Meinen Sie die historischen Reminiszenzen – die baulichen Erinnerungen an das alte Pschorr Haus, das Weinhaus Huth, das Columbus Haus, oder meinen Sie die stadträumliche Funktion des Platzes?

Beides. Der Potsdamer Platz war schon immer ein mythisch aufgeladener Ort. Nach der Wende gab es die Diskussion: „Amerikanische oder europäische Stadt?“. Ich fand diese Zuspitzung damals wahnsinnig daneben. Wenn man so will, war der Potsdamer Platz im untergegangenen Berlin als Verkehrsplatz der amerikanischste Platz – aber er war nicht Los Angeles, sondern eher New York, mit seiner Geschwindigkeit und seiner Verwachsenheit in der Geschichte.

Was war so amerikanisch an dem Platz?

Die Berlin-Bilder, die sich in unseren Köpfen festgesetzt haben, waren die Bilder der „Sinfonie der Großstadt“. Das endete immer in der Gegend des Potsdamer Platzes mit dem Bahnhof, dem Eisen- und Straßenbahnverkehr, dem Einkaufen, dem großen Warenhaus, den Zentralen von Verwaltungen, den Etablissements – eben prototypisches Großstadtleben. Dynamik, Geschwindigkeit, Konsum.

Warum ist der Potsdamer Platz ein spektakulärer Ort?

Er befindet sich sozusagen außerhalb der barocken Friedrichstadt, also vor den Toren der Stadt, wie auch der Alexanderplatz. Er steht also nicht für das ältere Berlin als Residenzstadt, sondern für Großstadtwerdung, Metropole, Moderne. Und dafür steht er auch heute wieder in gewisser Hinsicht: die Wiedergeburt der Stadt. Das besondere heute ist: Er grenzt direkt an einen anderen mythisch aufgeladenen Ort – das Kulturforum. Er ist zum Eingangsplatz für die Philharmonie und für das Kulturforum geworden. Neuberliner nehmen das Kulturforum heute als Annex oder sogar als Teil des Potsdamer Platzes wahr. Das macht ihn spannend und viel komplexer, als wir ihn uns Anfang der 90er Jahre vorgestellt haben.

Der Platz funktioniert gut, die Leute kommen in Massen. Woran liegt das? An der Kommerzkultur?

Ja, auch er ist ein Touristenort geworden und ein Ort für junge Leute. Er zeigt, wie sie öffentliche Räume benutzen. Zum Beispiel zum Public Viewing im Sony Center. Die Leute kommen hierher, wenn sie am Lehrter Bahnhof, am Reichstag, am Holocaust-Mahnmal waren, bestaunen die Großstadt und essen ein Eis oder trinken einen Espresso.

Was vermissen Sie dort?

Eigentlich nichts. Nur, dass er noch nicht fertig ist. Er hat früher von der Verbindung mit dem Leipziger Platz und der großen Einkaufsstraße mit den Warenhäusern dort gelebt. Heute geht kaum einer vom Potsdamer Platz zur Friedrichstraße. Da ist ein Loch in der Stadt, das hoffentlich bald geschlossen wird.

Das Haus mit der Nummer 1, entworfen von Hans Kollhoff, erinnert viele Besucher an Manhattan. Kann man den Potsdamer Platz mit dem Times Square vergleichen?

Der Potsdamer Platz ist neu und vollkommen künstlich. Aus der Berliner Sicht sind wir sozusagen amerikanischer als die Amerikaner: Hier wurde alles neu gemacht – der Times Square ist in seiner jetzigen Struktur und Bebauung viel älter als der Potsdamer Platz. Außerdem ist der Times Square vielmehr ein Business District. Wenn am Potsdamer Platz nicht die Bahn wäre, wüsste man nicht, mit welchem Unternehmen man ihn verbinden sollte. Der Times Square ist in gewisser Hinsicht viel europäischer, andererseits aber auch viel wilder mit seiner Werbung.

Der Times Square war mal sozusagen das untere Ende von Manhattan, eine Gegend, die vor allem Kriminelle anzog. Muss man sich um den Potsdamer Platz Sorgen machen, wenn jetzt einige Großimmobilien verkauft werden sollen?

Nein. Eigentümerwechsel gehören zum normalen Geschäft in einer Stadt, die nicht sozialistisch verfasst ist. Ich weiß, in New York diskutiert man unter dem Stichwort Segregation vor allem über die Folgen von Eigentümerwechseln – Verkäufe haben oft höhere Mieten zur Folge. Aber am Potsdamer Platz wohnen sowieso keine sozialschwachen Mieter und deren Mieten sind schon so hoch, dass man da nicht viel mehr bekommen kann.

Hans Stimmann (66) war bis 2006 als Senatsbaudirektor und zuvor als Staatssekretär der Stadtentwicklungsverwaltung maßgeblich an der Planung von Berlins neuer Mitte beteiligt.

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