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Berlin: Ampel außer Betrieb

Die Koalitionsverhandlungen stecken wegen schwerwiegender Gegensätze zwischen FDP und Grünen in der Krise. Dem Vernehmen nach sind sich die Grünen nicht einig, ob sie der Einladung der SPD zur Fortsetzung der Gespräche am heutigen Sonntagnachmittag folgen.

Die Koalitionsverhandlungen stecken wegen schwerwiegender Gegensätze zwischen FDP und Grünen in der Krise. Dem Vernehmen nach sind sich die Grünen nicht einig, ob sie der Einladung der SPD zur Fortsetzung der Gespräche am heutigen Sonntagnachmittag folgen. Sie wollen am Vormittag darüber entscheiden. Nach einer turbulenten Nachtsitzung der Großen Verhandlungsrunde eskalierte der Streit am Sonnabendvormittag erneut in kleiner Spitzenrunde. Überraschend nannten die Grünen dort ihre sechs "nicht verhandelbaren Punkte". FDP-Landeschef Günter Rexrodt lehnte "ultimative Vorgaben" ab und verlangte zunächst eine zweitägige Verhandlungspause.

Ursprünglich sollten die Verhandlungen gestern Nachmittag weiter gehen. Die SPD-Delegation erschien auch, die anderen nicht mehr. Gegen Abend sprachen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, SPD-Chef Peter Strieder und SPD-Fraktionschef Michael Müller mit den Grünen-Spitzen Sibyll Klotz, Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer. Sie versuchten in der Unterredung, den Grünen "aus der Sackgasse" zu helfen.

Sonnabend früh um halb drei hatte Wowereit nach 14-stündigem Verhandlungsmarathon mit heftigen Auseinandersetzungen über die Verkehrs- und Wohnungspolitik die siebente Verhandlungsrunde mit dem Hinweis abgebrochen, ideologische Streitereien seien Zeitverschwendung. Anlass für den nächtlichen Abbruch war die FDP-Forderung nach dem Weiterbau der U-Bahn-Linie 5. Rexrodt sagte dazu gestern, "zumindest in der Körpersprache" habe er signalisiert, dass die U 5 weniger wichtig sei.

Nach SPD-Angaben wurde in der Nacht deutlich, dass die FDP überall ihre "Linie des freien Marktes" durchsetzen wolle. Grüne und SPD lasteten der FDP an, dass insgesamt 60 Punkte im Dissens stehen, darunter 18 beim Komplex Stadtentwicklung. Zu den FDP-Forderungen, die für die Grünen "nicht verhandelbar" waren, zählen auch mehr Schnellläuferklassen zum Abitur und mehr Klassen in grundständigen Gymnasien. Die Grünen wollen für pädagische Verbesserungen bestimmte zusätzliche Lehrer nicht auf die "Eliteförderung umpolen". Bei der SPD heißt es, dieser Punkt sei leicht zu klären, und die von der FDP gewünschten Autobahnprojekte seien ohnehin nicht finanzierbar. Die Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung lehnt wiederum die FDP ab.

Konfliktträchtig ist auch die Wohnungspolitik. SPD und Grüne wollen im Gegensatz zur FDP keine Abstriche an den Mietobergrenzen in Sanierungsgebieten und am zehnjährigen Kündigungsschutz bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen machen. Sie lehnen den Verkauf landeseigener Wohnungen im großen Stil ab. Ferner wiesen SPD und Grüne mit Unterstützung Wowereits Vorstöße der Liberalen zurück, das Landesgleichstellungsgesetz auszuhebeln und Frauenförderprojekte zu kürzen. Mit Unverständnis reagierte auch die SPD auf die Grünen-Forderung, den Sportvereinen Gebühren für die Nutzung öffentlicher Sportstätten aufzuerlegen. Über die Sportförderung wird aber erst am Ende beim Thema Finanzen verhandelt, in dem wegen der Frage der Vermögensverkäufe und Privatisierungen noch viel Sprengstoff steckt.

Der Streit um den Kulturetat gipfelte in der Rücktrittsdrohung der Kultursenatorin Adrienne Goehler (parteilos, für die Grünen). Die Grünen wollen die bisherige Höhe des Kulturetats von 750 Millionen Mark "erhalten", SPD und FDP wollen das Wort "erhalten" streichen.

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