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Berlin: An der Glasfront

Experten streiten darüber, wie die Schlossfenster gestaltet werden sollen.

Eine der wichtigsten Entscheidungen zum Erscheinungsbild des Schlosses fällt an diesem Donnerstag im Stiftungsrat von Deutschlands größtem Kulturprojekt: die Gestaltung der Fenster. Und das, was wie eine ästhetische Randnotiz des Großprojektes erscheint, hatte Experten und Förderer zunächst sogar in zwei Lager gespalten.

Im Streit ging es wie so oft um die Frage: Wie viel Historie verträgt die Rekonstruktion – und vor allem welche? Konkret galt es zu klären, ob die Gläser der mehr als drei Meter hohen Fenster durch Sprossen in rund 32 einzelne Elemente aufgeteilt werden, wie in der Zeit des Barocks üblich. Oder ob das rekonstruierte Schloss jenes Erscheinungsbild bekommen soll, das es im 19. Jahrhundert erhielt – damals waren die Fenstergläser durch die sie einfassenden Holzsprossen in 16 Elemente unterteilt.

„Das ist eine Geschmacksfrage, aber ich votiere für die jüngere Einfassung des Glases“, sagt Goerd Peschken. Der emeritierte Professor für Baugeschichte hat das Standardwerk zu dem Projekt geschrieben, „Das Berliner Schloss“ – „zwei Pfund schwer“, wie er augenzwinkernd sagt. Peschken sagt, dass auch die „barocke Sprossung wissenschaftlich nachgewiesen ist“. Dass die Fenster zu Friedrichs Zeiten aus 32 Einzelscheiben zusammengesetzt waren, sei aber damals aus Mangel an Alternativen erfolgt. Jede Scheibe wurde einzeln geblasen – die Gusstechnik war noch nicht bekannt.

Zum anderen Lager bekennt sich der Initiator und erste Spendensammler des Schlossprojektes, Wilhelm von Boddien: „Auch in dieser Frage geht es darum, wie originalgetreu das Schloss rekonstruiert werden soll.“ Boddien bevorzugt die kleinteiligen barocken Fenster mit den vielen Sprossen. Verkämpfen will aber auch er sich nicht. „Wenn es Mehrheiten gibt, die eine ebenso authentische Begründung ins Feld führen, dann muss ich nicht den Michael Kohlhaas spielen.“

Und die Mehrheit, zu der auch Schlossarchitekt Franco Stella gehört, gibt es bereits. Die Experten im „Bau- und Architekturrat“, der dem Stiftungsrat Empfehlungen mit auf den Weg gibt, haben sich für das Erscheinungsbild aus dem 19. Jahrhundert ausgesprochen. Zur Begründung wird angeführt, dass ja auch andere Elemente, die das Bild des Schlosses bis heute prägen, erst im 19. Jahrhundert hinzukamen – die Kuppel zum Beispiel. Und auch auf historischen Darstellungen des früheren Hohenzollernbaus sind die Fenstergläser fast ausschließlich in der großzügigeren „Sprossung“ mit 16 Elementen zu sehen.

Ist damit eine Vorentscheidung gefallen? „Ja“, sagt Stiftungssprecher Bernhard Wolter. Natürlich sei im Fensterstreit theoretisch auch noch eine dritte, komplett sprossenfreie Variante möglich, dank moderner Technik. Aber die wolle niemand. Und damit jeder eine eigene Position im Scheibenstreit finden kann, ließ die Stiftung die Musterfassade in Mitte, neben der Schlossbaustelle in beiden Varianten ausführen. ball

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