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Anbaden bei Winterwetter: Daunenjacke aus - und nichts wie rein in den Wannsee

Von wegen frohe Ostern: Im Strandbad Wannsee gab es einen frostigen Saisonstart. Hartgesottene gingen am Karfreitag eisbaden. Es gibt neuen Schnee in Berlin - und das Winterwetter bleibt der Stadt auch erst einmal erhalten.

Sollen die Erwachsenen mit Mütze und Schal sich an der Durchreiche am Schwimmbad-Imbiss doch Glühwein, Grog und Lumumba kaufen. Die Brüder Fionn, 11, und Luca Pötzsch, 14, waren schon in vereisten Seen schwimmen, von daher ist Anbaden am Karschneitag 2013 beim Familienausflug im Strandbad Wannsee für die Jungs aus Langerwisch die leichteste Übung. Die Flocken fallen, die Klamotten auch, und das Wasser spritzt. Ist das nicht eisekalt? „Nö.“

Manche Outdoor-Typen sägen sich sonst durchs Eis

Badebetriebsleiter Axel Ott mit schwarzen Skihandschuhen und – passend zu den Herausforderungen des Wetters – im Militärlook schiebt mit seinen heute sieben Rettungsschwimmerkollegen sicherheitshalber Badewache, und der Schnee knirscht unter der Sohle. „Seit 43 Jahren arbeite ich hier, aber so einen Saisonstart habe ich noch nicht erlebt“, sagt Ott. Die Besuchertruppe in den roten Jacken mit Schlitten wollte Karfreitag eigentlich den Saisonauftakt in ihrem Waldhochseilgarten Jungfernheide feiern. „Aber das Angebot, hier in Wannsee bei dem Wetter gratis anzubaden, war einfach verlockend, und schließlich sägen wir uns auch mit Kettensäge beim Eisbaden durch“, sagt der 35-jährige Paul Blecker. Derzeit hilft nur schwarzer Humor. Die vielen Outdoor-Typen am Strand könnten locker in Messner-Bergfilmen doubeln.

Auf den Autoscooter-Sitzen liegen Zentimeter Schnee

Hart im Nehmen muss man sein, wenn man diesen „Frühling“ draußen miterlebt. Zur Britzer Baumblüte gibt es seit Mittwoch bis zum 14. April „ein warmes Frühlingserwachen unter blühenden Bäumen!“ – steht wenigstens auf der Veranstalter-Internetseite mit lauter Blütenfotos. Auch beim „Frühlingsfest“ auf dem Zentralen Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm bis 21. April müssen die Fahrgeschäftebetreiber zentimeterdicken Schnee von Autoscooter- und Kettenkarussell-Sitzen wischen. Eisgeschäfte, Gartenrestaurants – von wegen frohe Ostern. An der Spinnerbrücke parken Autos mit Sitzheizung statt Motorräder zur Frühjahrstour. Und Berlins Radiosender spielen vor lauter Verzweiflung schon wieder Weihnachtslieder.

Galgenhumor, den brauchen auch die Mitarbeiter im größten Binnenschwimmbad Europas. „Unsere Hightech-Kaffeemaschine funktioniert erst ab zehn Grad plus, deswegen haben wir Heizlüfter geholt und brühen erst mal anders“, sagt der Mann hinter der Theke. Premierentagsgast Marianne Maruhn aus Kreuzberg hält für ein Foto ihren Schirm schützend über einen großen Schneemann mit Hasenohren und Puschelschwanz. Auch auf dem Dach eines Strandkorbes sitzt einer. In einem reibt Daniel Wiest aus Gifhorn, 23, seine Zehen in Socken warm, und neben ihm zieht sich seine Freundin Hannah Aschenbrenner, 17, im Bikini, wieder an. „Ich wollte schon vergangenes Jahr mit ins Wasser, aber da habe ich mich noch nicht getraut“, sagt Hannah.

Eiskalte Badegäste. Daniel Wiest und Hannah Aschenbrenner packten beim Berlin-Besuch sogar Badehose und Bikini ein.
Eiskalte Badegäste. Daniel Wiest und Hannah Aschenbrenner packten beim Berlin-Besuch sogar Badehose und Bikini ein.

© Annette Kögel

Der Kiefer zittert, der Tee wärmt die Hände

Manfred Schanowski, 50, aus Schöneberg ist da ein anderes Kaliber. Er ist jedes Jahr einer der Ersten im Wasser, auf seinem T-Shirt steht, nomen est omen: „Oceanside“ . Sein Kamillentee dampft, der Kiefer zittert, „Fingerspitzen und Zehen sind kalt, aber ich dusche auch immer kalt.“ Schneetreiben, diesiges Grau. Das Antriebs-Schlappschlapp eines Tretbootes klingt schon verlockend nach Frühling, und der Wasserrutschenturm zeugt von Verheißungen des Sommers. Alles nicht in Sicht, die nächsten Tage gibt es weiter Nachtfrost und tagsüber quält sich das Thermometer mit Mühe und Not an die Fünf-Grad-Plus-Marge. Aber wie hat da jemand in Kreuzberg nahe dem Skilanglaufparadies Flugfeld Tempelhof an die Wand geschrieben? „Look on the bright side please“. Also holen die Berliner noch mal und immer wieder die Snowboards und Skier raus.

Die Hoffnung friert zuletzt ein

Im Schneebad Wannsee halten sich derweil Andreas und Viola Litwin mit ihren Skistöcken wacker. Und Tourist Robert Aldreti, geboren in Torrance in Kalifornien und Wahl-Russe, macht vom Berliner Möchtegern-Frühling Fotos. „Ich war im Ural eisbaden, aber da friert einem ja das Gehirn ein.“ Im Radio spielen sie dann „Ich geh in Flammen auf“ von Rosenstolz. Die Hoffnung friert zuletzt ein.

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