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Mitten aus dem Leben. Das Bild einer armenischen Seidenspinnerei in Hussenig (Kharpert) um 1900 ist ein Beispiel des vielfältigen Alltagslebens, das auf www.houshamadyan.org dokumentiert wird.

© G. H. Aharonian (Hg.): Hussenig; Hairenik Publishing House, Boston, 1965

Andenken an Völkermord an Armeniern: Im Dunkel der Verzweiflung

In der Luisenkirche haben am Sonntag Jugendliche vom Völkermord an den Armeniern berichtet.

Sie habe durch das Projekt nichts Neues erfahren, sagt die 18-jährige Meral Bedvosian, sie habe alles schon vorher gewusst. „Wir sind ja nur so wenige, unsere Geschichte ist darum immer Thema, sie verbindet uns.“ Uns, die Armenier. Das Projekt: eine Powerpoint-Präsentation über den Genozid der Türken an ihrem Volk, erarbeitet mit deutschen Jugendlichen. Und was sagen die? „Ich habe gelernt, dass Politik mich betreffen kann“, sagt die 16-jährige Anile Tmava und meint damit, dass sie ganz anders zugehört habe, als sie in den Nachrichten Bundespräsident Joachim Gauck im April, zum 100. Jahrestag des Völkermords von 1915, darüber sprechen hörte.

An diesem Sonntagmittag haben die Jugendlichen ihren großen Auftritt in der hellen Luisenkirche, die die Mitte des Charlottenburger Gierkeplatzes ausfüllt. Es ist der zweite Auftritt, die Premiere fand auf dem Stuttgarter Kirchentag statt. Bevor es losgeht, macht Pfarrer Stephan Kunkel, Ideengeber für das Projekt, den jungen Leuten in der Sakristei noch mal Mut. „Ich bin bei euch“, sagt er.

Aber wie es dann so ist mit Powerpoint: Man denkt, das sei einfach, doch auf der Leinwand erscheint statt der erwarteten Texte und Fotos der gesamte Computerbildschirm mit überlappenden Menüfenstern und einem Mauspfeil, der hektisch hin und her flitzt. Das kam mehrmals vor, was nicht schlimm war, es verschaffte bei dem traurigen Thema kleine Momente der Ablenkung.

Ein halbes Jahr Recherche

Meral, Anile und die anderen hatten sich das Thema wie in der Schule in verschiedene Fächer aufgeteilt: Geografie, Geschichte, Politik. Ein halbes Jahr lang haben sie recherchiert, sich monatlich getroffen und Bilder, Schautafeln und Filmausschnitte zusammengestellt. In der Kirche lesen sie mit verteilten Rollen ihre Texte vor, die mitunter sehr wissenschaftlich und dudenhaft klingen. Zu den beeindruckendsten Stellen gehören die Zitate der deutschen Orientexperten Armin T. Wegner und Johannes Lepsius, die Augenzeugen der türkischen Massaker an der christlichen Minderheit wurden. Wegner schrieb in einem Brief an seine Familie über Massengräber, in die er geschaut hatte, über Skelette und bleiche Schädel noch mit Haaren, und dass er fürchte, „vom Dunkel der Verzweiflung“ erfasst zu werden. Wegner und Lepsius sorgten damals dafür, dass die Gräueltaten in Deutschland – ein Verbündeter der Türkei – und Europa bekannt wurden.

Die Präsentation endete in der Gegenwart, in Berlin. Hier, wo sonst, könnten, sollten, müssten Türken und Armenier sich begegnen und sich um Aussöhnung bemühen, appellieren die Jugendlichen. Und wissen selbst, wie schwer das ist. Meral sagt, sie habe eine türkische Freundin, aber die Geschichte sparten sie in ihrer Freundschaft aus.

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