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Angeklagter Gerd S. steht wegen versuchten Mordes vor Gericht.

© Bernd Settnik /dpa

Angeklagt wegen versuchten Mordes: Ein Vater soll seiner Tochter mehrmals Gift gegeben haben

Ein Tierpfleger soll seiner kleinen Tochter zwölf Mal Reinigungsmittel verabreicht haben. Nun steht er wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Potsdam.

Es war außergewöhnlich grausam, was die nicht mal ein Jahr alte Emily erleiden musste: Zwölf Mal wurde das Kind mit Reinigungsmitteln vergiftet – mutmaßlich von seinem Vater Gerd S. Der 36 Jahre alte Tierpfleger steht seit Dienstag wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Potsdam. Er bestreitet die Vorwürfe. Am Ende seiner fast zweistündigen Einlassung sagte er auf die Frage des Vorsitzenden Richters Frank Tiemann, ob er seine Frau für die Täterin halte: „Ich kann es nicht beweisen. Aber ich habe die Vermutung“.

Die Anklage geht hingegen davon aus, dass Gerd S. seine kleine Tochter töten wollte, weil sie ihn daran hinderte, sich neu zu binden. Ähnlich, aber mit einem etwas anderen Akzent, sieht es die Vertreterin der Nebenklage, Rechtsanwältin Manuela Krahl- Röhnisch. Sie vermutet, dass Gerd S. sich als „Kümmerer“ darstellen wollte: Heimlich schädigte er sein Kind – nach außen tat er danach alles, damit es wieder gesund wurde. Womöglich wollte er verhindern, dass seine Frau sich von ihm trennt.

Der Angeklagte verdächtigt die Mutter

Ein solches Verhalten, von pathologischen Lügen begleitet, ist Psychologen als „Münchhausen“-Syndrom bekannt. Bei männlichen Straftätern ist es Fachleuten zufolge aber kaum zu beobachten. Heute lebt das Kind mit seiner Mutter und dem etwas älteren Bruder in der Nähe von Hamburg. Laut Rechtsanwältin Krahl-Röhnisch geht es ihm körperlich gut – die Verätzungen durch das Reinigungsmittel hätten sein Essverhalten nicht auf Dauer geschädigt. Seelische Folgen seien nicht zu erkennen.

Angeklagt. Gerd S. mit Anwalt Matthias Schöneburg im Gericht.
Angeklagt. Gerd S. mit Anwalt Matthias Schöneburg im Gericht.

© Bernd Settnik/dpa

Wie es wirklich war, will Richter Tiemann an 27 Verhandlungstagen bis zum Sommer klären. Nebenklägerin Krahl- Röhnisch sagt, dass nur Gerd S. bei allen zwölf Vergiftungsversuchen mit Emily zusammen gewesen sei. Dessen Verteidiger Matthias Schöneburg will das so nicht stehen lassen. Ob nicht auch die Mutter zwölf Mal die Gelegenheit hatte, das Mädchen zu vergiften, müsse die Beweisaufnahme zeigen. Der Angeklagte Gerd S. sagte gen Ende seiner Ausführungen: „Ich liebe meine Kinder.“ Der nicht sehr große, kahl werdende Mann hatte zuvor der Anklage mit Tränen in den Augen zugehört. Über sein Leben gab er bereitwillig Auskunft – und was er sagte, hörte sich nach einer grauenvollen Kindheit an. Sechstes von sechs Kindern zweier Trinker, als Grundschüler aus der Familie genommen, weil einer Lehrerin die Spuren von Schlägen an dem Jungen aufgefallen waren. Dann Heimaufenthalt, Missbrauch durch einen Betreuer, Sonderschulabschluss, Ausbildung zum Tierpfleger.

Seine Frau, die Mutter eines Sohnes und von Emily, habe er in einem „Tierhotel“ kennengelernt. Mit der Geburt des zweiten Kindes geriet die Beziehung wohl in die Krise. Dafür war dem Angeklagten zufolge „Frau G.“ schuld, die Mutter der Kinder. Die sei mit allem, was er tat, um Geld zu verdienen, unzufrieden gewesen. Bald waren beide arbeitslos. Das Martyrium des kleinen Mädchens füllte die Tage. Das endete erst, als nach einer Odyssee durch diverse Krankenhäuser Ärzte im Städtischen Klinikum Brandenburg/Havel den Verdacht hatten, das Kind werde von seinen Eltern vergiftet.

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