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Berlin: Angela Merkel? Nie gehört

Was ein Friseur bei der Lehrlingssuche erlebt hat

Sie hat ihn fast zur Verzweiflung getrieben, die Suche nach einem neuen Lehrling – immerhin: Seitdem Friseur Eduard Steffi (38) den Wissenstest seiner Bewerber ausgewertet hat, dringt immer wieder schallendes Gelächter aus seinem Salon in der Wilmersdorfer Straße: „Angela Merkel wurde zum erfolgreichen Model, Zürich liegt in Norwegen und der Maybach ist ein österreichisches Leibgericht“, zählt der Chef bei „Edward’s“ ein paar der originellsten Antworten auf.

Erst am Dienstag hat das Arbeitsamt seine neuesten Zahlen veröffentlicht: Nach aktuellem Stand suchen in diesem Jahr bundesweit 558 804 Jugendliche eine Lehrstelle (plus 3,1 Prozent), in Berlin bewerben sich 11 272 Berliner Jugendliche um einen Ausbildungsplatz. Davon schickten 200 ihre Unterlagen an Eduard Steffi, 30 lud er zum Vorstellungsgespräch ein. „Davon erschienen nur 15“, sagt der Friseur. „Schon daran merkt man, dass viele gar keine Stelle wollen.“

Wer in Eduard Steffis Salon arbeitet, soll nicht nur mit Schere, Lockenwickler und Fön umgehen können. „Daneben spielt auch die Kommunikationsfähigkeit mit dem Kunden eine entscheidende Rolle.“ Deshalb machte er in der Ausschreibung die Mittlere Reife zur Bedingung und stellte für die Kandidaten einen kleinen Test in Sachen Allgemeinbildung zusammen. Bei der Auswertung muss sich Steffi oft an seinem Kaffee verschluckt haben. „Der Kenntnisstand ist verheerend – und das wird von Jahr zu Jahr krasser.“

Eine Auswahl: Nur sechs der 15 Kandidaten wussten, wann der Zweite Weltkrieg war, andere versuchten es mit: 1914-1918, 1939, 1930-1945 oder 1944-1945. Keinen einzigen richtigen Treffer gab es zum Bau der Berliner Mauer, nur drei Bewerber konnten den 11. September 2001 richtig einordnen. Die Berlinale wurde zu einem „Musical“, Schlesien zur „Abkürzung von Schleswig-Holstein“, Adolf Hitler zum „Vorstandsvorsitzenden der Waffen-SS“, der wahlweise „mit einer Jüdin verheiratet“ war. Und was sagten den Kandidaten die Begriffe Ostpreußen und Pommern? „So hieß Deutschland früher in der DDR.“

Steffi weiß, dass von den 200 Bewerbern viele ihre Unterlagen nur schickten, um Ruhe vor dem Arbeitsamt zu haben. Er ist aber sicher, dass sich von den letzten 15 Kandidaten „höchstens vier“ absichtlich dämlich stellten. „Die anderen haben sich wirklich bemüht.“ Bekommen hat die Stelle übrigens David (23), der Zweitbeste im Wissenstest. Dass er morgens eineinhalb Stunden zu „Edward’s“ braucht, stört David nicht. Steffi grinst. „Der will eben wirklich.“

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