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Update

Angezündete Autos: Merkel verurteilt Brandanschläge

In der Nacht zu Donnerstag haben in Berlin wieder Autos gebrannt - in Charlottenburg, Tiergarten und Hohenschönhausen. Erstmals wurde auch in Brandenburg gezündelt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Serie von Brandanschlägen in Berlin verurteilt. Sie sei sehr besorgt, sagte sie bei einem Festakt zum 60-jährigen Bestehen des Bundeskriminalamtes (BKA) am Donnerstag in Wiesbaden. Zwar seien deutsche Städte von Krawallen wie jüngst in Großbritannien weit entfernt. Doch es sei gefährlich, wenn die Täter nicht nur Autos, sondern auch Kinderwagen in den Fluren von Mietshäusern in Brand setzten.

Auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, verurteilt die Brandanschläge. "Die Entwicklung beunruhigt uns doch alle, aber die Polizei verdient unser volles Vertrauen", sagte er dem Tagesspiegel. Noch gebe es keine Fahndungserfolge, "aber mit Hilfe der Bevölkerung muss es gelingen, diese Zündler dingfest zu machen".

Im Zeitraum zwischen Mitternacht und 2.30 Uhr gingen in Berlin neun Autos in Flammen auf: In Charlottenburg in den Eosanderstraße zwei BMW und ein Audi und am Charlottenburger Ufer ein Audi. In Tiergarten brannte an der Händelallee ein Audi. Außerdem brannten in Hohenschönhausen in der Nienhagener Straße ein Audi und an der Straße Zum Hechtgraben zwei Opel und ein VW. Die Anschläge in Charlottenburg und Tiergarten werden vom Staatsschutz als "politisch motivierte Taten" eingestuft. Bei den Brandlegungen in Hohenschönhausen geht die Polizei derzeit davon aus, dass es keinen politischen Hintergrund gibt. "Zeitlich und örtlich passen sie nicht zu den anderen Taten", sagte ein Polizeisprecher. Die Ermittler haben keine Spur zu dem oder den Tätern. Die Polizei appellierte heute erneut an die Bevölkerung, verdächtige Wahrnehmungen zu melden und dadurch zu Aufklärung beizutragen. Bislang seien aber zu den jüngsten Taten der vergangenen Tage noch keine Hinweise eingegangen.

Erstmals wurden auch Wagen in Brandenburg angezündet. Ein Pkw und ein Kleintransporter brannten in Niedergörsdorf (Kreis Teltow-Fläming) aus, wie ein Polizeisprecher sagte. Die beiden geparkten Autos seien kurz hintereinander angesteckt worden. Sie standen rund zwei Kilometer entfernt voneinander. Zu einem möglichen politischen Hintergrund der Taten sei noch nichts bekannt, sagte der Sprecher. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Auch ein Hubschrauber kam zum Einsatz.

Schon in der Nacht zu Mittwoch brannten 15 Autos überwiegend in West-Berliner Bezirken aus, zahlreiche weitere wurden durch die Flammen beschädigt. Die Zahl der vermutlich von Linksextremisten angezündeten Autos erhöhte sich damit auf 138. Im gesamten Jahr 2010 waren nur 54 Fahrzeuge angezündet worden. In der Nacht zu Dienstag hatten elf Autos nahezu im Minutentakt in Charlottenburg gebrannt.

Die Polizei sprach bereits nach zwei Nächten mit Brandstiftungen in zweistelliger Anzahl von einer „neuen Situation“. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte am Mittwoch nach der „schrecklichen Serie“ an, dass die Spezialabteilung „Brennende Autos“ im Landeskriminalamt von 130 auf 160 Beamte aufgestockt wird. Eine komplette Überwachung von Berlin sei unmöglich. Bei den Brandstiftern handele es sich wohl um Einzeltäter und Nachahmungstäter, sagte Körting. Nicht alle hätten politische Motive, aber die linksextreme Szene habe in den vergangenen Jahren das Fundament für Nachahmer und Pyromanen gelegt. Körting versicherte, sein Auto weiter auf der Straße vor seinem Berliner Wohnsitz zu parken.

Polizeisprecher Frank Millert sagte, dass in den vergangenen Wochen jede Nacht mindestens 100 Beamte auf „Brandstreife“ unterwegs gewesen seien, meistens noch deutlich mehr. Die Polizei stünde vor einer extrem schwierigen Aufgabe. „Berlin hat 1,2 Millionen zugelassene Fahrzeuge und mehrere tausend Kilometer Straßennetz. Das heißt, es gibt Tatgelegenheiten ohne Ende für Brandstifter“, sagte Millert.

CDU: Senat reagiert "hilflos". Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, konsequente Polizeiarbeit sei nun genauso gefordert wie die „Wachsamkeit“ der Bürger, „weil die Polizei in einer Metropole wie Berlin nie überall gleichzeitig präsent sein kann“. Die Bürger sollten verdächtige Beobachtungen umgehend der Polizei melden.

CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel mahnte die Bürger zur Wachsamkeit, warnte Betroffene aber davor, sich dadurch in Gefahr zu bringen, wenn sie gegen verdächtige Personen selbst einschritten. Für die Sicherheit der Bürger sei der Staat zuständig, sagte der CDU-Politiker. Doch sei er „schockiert darüber, wie hilflos dieser Senat reagiert“. Nach seiner Einschätzung liege es nicht an der Kompetenz der Berliner Polizei, dass so wenige Täter festgenommen werden. Unter dem rot-roten Senat habe die Polizei 4000 Mitarbeiter verloren. Entsprechend geringer falle jetzt der Fahndungsdruck aus. Die CDU habe schon vor zwei Jahren einen runden Tisch gegen Linksextremismus gefordert, um Gewalttäter wie die Autobrandstifter zu ächten.

Der Forderung schloss sich nun der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, an. Die Politik müsse die Ächtung der Autozündelei voranbringen, sagte Lux. In Richtung radikaler Linker sagte der Grüne, die linke Szene diskreditiere mit der Autozündelei all ihre hehren Ziele. Der FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer sprach von einem „deutlichen Anstieg der Gewaltbereitschaft“. Er erinnerte daran, dass eine Ächtung linker Gewalt im Abgeordnetenhaus nicht zustande gekommen sei, weil Linke und Grüne dies nicht wollten.

„Wir wissen nur wenig über die Täter“, sagte Hans-Gerd Jaschke, Politikwissenschaftler an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, am Donnerstag im RBB-Inforadio. Es handle sich nicht allein um überzeugte Linksautonome, die aus Protest gegen eine Gentrifizierung Luxuswagen anzündeten, sondern auch um anders motivierte Brandstifter, die Kleinwagen in Brand setzten. „Erst wenn mehr Täter festgenommen werden, werden wir mehr über sie wissen“.
Verstärkten Polizeistreifen räumte der Politikwissenschaftler wenig Erfolgsaussichten ein: „Die Täter gehen einfach in andere Stadtteile“. Wichtiger sei erhöhte Wachsamkeit in der Bevölkerung. (mit dapd/dpa)

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