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Berlin: Angst um die Moderne

Ein 60er-Jahre-Bau in Tiergarten soll abgerissen werden. Um den geplanten Nachfolger gibt es Streit

Das Hansaviertel war mal eine Berliner Attraktion. Moderner Siedlungsbau mitten in der Stadt, das schien die Zukunft vorwegzunehmen. Doch die Errungenschaften der „Interbau“ von 1957 sind heute fast vergessen. Statt Solitär-Hochhäuser im Grünen bestaunen die Touristen sanierte Stuckfassadenfluchten in den Altbauquartieren der Stadt. Viele Stadtplaner orientieren sich längst wieder am geschlossenen Blockrandbau als Garant für urbanes Leben.

Vor diesem Hintergrund verursacht ein Bauvorhaben heftigen Streit. Die Hilfswerk-Siedlung, ein Wohnungsunternehmen der Evangelischen Kirche, will auf dem Grundstück des ehemaligen Konsistoriums an der Bachstraße Ecke Altonaer Straße einen Neubaublock errichten. Das mit Aluplatten verkleidete Bürohochhaus von 1968 soll weg. Zehn Jahre lang suchte die Kirche vergeblich nach einem neuen Nutzer für das Gebäude.

„Hansahof“ lautet der Name des Projekts. Geplant ist, mehr als die Hälfte der Nutzfläche für Wohnungen vorzuhalten. Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) begrüßt die Idee. „Es sollen auch Kleinstwohnungen zur Miete gebaut werden, das ist total interessant.“ Die Lage in der westlichen City sei attraktiv. Einziger Nachteil: die laute Umgebung mit Bahntrasse und Hauptstraßen.

Für die Fans des Hansaviertels, organisiert in einem Bürgerverein, ergibt sich ein weiterer, wesentlich schwerwiegenderer Nachteil: Der Neubau orientiert sich am Blockrand und der klassischen Traufhöhe. Wenn man anfange, am Rand des Viertels die Moderne auszulöschen, sei das Viertel insgesamt in Gefahr und damit auch ein möglicher Status als Weltkulturerbe, um den man sich künftig bewerben wolle, sagt ein Vereinssprecher. Das Bauprojekt sei gegenüber den aufgelockerten Solitärbauten des Hansaviertels ein „achitektonischer Affront“, erklärt der Rat für Stadtentwicklung, ein Gremium aus verschiedenen Architekturgremien, in einer Stellungnahme. Die „kompakte Bauform“ passe hier nicht her, sagt Ratsvorsitzender Uwe Hameyer. Die Baudichte auf dem Grundstück sei fast doppelt so hoch wie im Hansaviertel üblich.

Der Architekt der Hilfswerk-Siedlung, Tobias Nöfer, findet die Diskussion „albern“. Der Hansahof liege außerhalb des Interbau-Planungsgebietes. Es gehe nicht um eine ideologische Debatte Moderne kontra Blockrand, sondern um die Lösung pragmatischer Fragen. Um möglichst viele Wohnungen vom Lärm abzuschirmen, eigne sich am besten eine Blockrandbebauung. Ein Hochhaus sei viel zu teuer, im Bau und im Betrieb.

Baustadtrat Gothe möchte vermitteln und schlägt vor, einen Wettbewerb auszuschreiben. Es sei „legitim“, über die städtebauliche Form nachzudenken. Der Bürgerverein möchte einen offenen Wettbewerb mit möglichst vielen Architekten. Nöfer würde sich allenfalls einem Gutachterverfahren unterwerfen, also einem begrenzten Wettbewerb, der allenfalls zu Modifikationen seines Entwurfs führt. „Ich bin schon mit dem Projekt beauftragt.“ Die Hilfswerk-Siedlung hält sich bislang zurück. „Wir sind nicht verpflichtet, einen Wettbewerb durchzuführen“, sagt dazu eine Sprecherin des Unternehmens. Mit allen Beteiligten habe es ausführliche Gespräche gegeben. Noch in diesem Jahr soll das alte Bürogebäude abgerissen werden. Gegenwärtig läuft die „Schadstoffsanierung“ des Hauses. Und 2013 will man mit dem Neubau beginnen.

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