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Berlin: Anklage gegen die drei Brüder wegen Ehrenmord an Türkin Sie sollen den Tod geplant und Hatun S. auf der Straße erschossen haben

Die Alibis der Tatverdächtigen sind teilweise unstimmig

Sie war eine lebenslustige junge Frau. Die Türkin Hatun S. trug modische Kleidung, schminkte sich, ging gern aus, war aufgeschlossen – auch Männern gegenüber. So beschrieben Freunde die 23-Jährige aus Tempelhof. Doch dieser für andere junge Frauen völlig normale Lebensstil brachte Hatun S. den Tod: Am 7. Februar wurde die junge Frau, Mutter eines fünfjährigen Sohnes, unweit ihrer Wohnung an einer Bushaltestelle am Oberlandgarten ermordet: Durch drei Schüsse in den Kopf.

Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die drei 19, 24 und 26 Jahre alten Brüder des Opfers erhoben. Sie müssen sich wegen gemeinschaftlichen Mordes aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen verantworten. Die Brüder sollen sich zu der Tat entschlossen haben, „weil sie den Lebensstil der Schwester als Kränkung der Familienehre empfunden haben“, heißt es in der Anklage. Die Brüder sollen sich für ihre Schwester „geschämt“ und befürchtet haben, sie würde ihren Sohn nicht nach den Regeln des Islam erziehen. Schon kurz nach der Tat konzentrierten sich die Ermittlungen der Mordkommission auf die Familie von Hatun S. Eine knappe Woche nach dem Mord nahm die Kripo die drei tatverdächtigen Brüder des Opfers fest. Sie erhielten Haftbefehl und sitzen seither in Untersuchungshaft.

Zunächst bestritten alle drei die Tat. Zwei von ihnen äußerten sich dann doch zu den Vorwürfen. Angeblich hatten sie Alibis, die bezeugen, dass sie als Täter nicht in Frage kommen. Doch nach Tagesspiegel-Informationen sei bei näherer Überprüfung herausgekommen, dass diese nicht stimmig sind: So berichtet einer der Brüder, er sei zur Tatzeit bei seiner Frau gewesen. Über Handy-Verbindungen fanden die Ermittler aber heraus, dass er zu jener Zeit von seiner Frau auf dem Handy angerufen worden war. Der jüngste Bruder sagte, er sei „nur kurz bei seiner Schwester Hatun vorbeigekommen“. Doch die Ermittlungen ergaben, dass das spätere Opfer zu der angegebenen Zeit nicht daheim, sondern bei Nachbarn gewesen war.

Laut Staatsanwaltschaft soll der älteste Bruder die Pistole und die Munition besorgt haben. Der Jüngste soll damit im Park Übungsschüsse abgegeben haben. Am 7. Februar sollen die beiden jüngeren Brüder dann zur Wohnung ihrer Schwester gefahren sein: Unter einem Vorwand habe der Jüngste sie dann herausgelockt und ihr ohne Vorwarnung in den Kopf geschossen. Möglicherweise wurden die Brüder sogar von ihren Eltern dazu angestiftet. Erste Ermittlungen hatten ergeben, dass bei einem „Familienrat“ Hatuns Mord beschlossen worden war. „Doch der Verdacht hat sich nicht erhärtet. Das Verfahren wurde eingestellt“, sagte Justizsprecher Michael Grunwald.

Der Tod von Hatun S. hatte eine umfangreiche Diskussion über Zwangsehen und sogenannte Ehrenmorde ausgelöst. So viel bekannt wurde, soll Hatun S. vor sieben Jahren in der Türkei zu einer Ehe mit einem Cousin gezwungen worden sein. Sie kam mit der Familie nicht klar und kehrte nach der Geburt ihres Sohnes nach Deutschland zu ihren Eltern zurück. Aus der elterlichen Wohnung zog sie schon bald aus. Sie suchte sich eine eigene Wohnung und fing eine Lehre als Elektrotechnikerin an. Die Familie soll ihr gedroht haben, sie müsse zu den Eltern zurückkehren. Hatun S. aber trotzte allen Mahnungen: Sie hielt an ihrem Wunsch fest, frei zu leben – und glücklich.

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