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Berlin: Anklage nach Bluttat auf dem Friedhof

Die Polizei tappte anderthalb Jahre im Dunkeln, bis sich der mutmaßliche Täter stellte

Anderthalb Jahre lang suchte die Polizei vergeblich nach dem Mörder von Dagmar P. die im Juli 2002 auf einem Neuköllner Friedhof erstochen wurde. Spuren und Hinweise gab es nur wenige. Aber im Dezember letzten Jahres stellte sich der mutmaßliche Täter selbst der Polizei. Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 21jährigen ehemaligen Soldaten erhoben – wegen Mordes und versuchten Raubes.

Der Mordfall vom 21. Juli 2002 hatte die 7. Mordkommission vor ein beinahe unlösbar scheinendes Problem gestellt: keine Zeugen, kein Motiv, keine Beziehungstat, kein Sexualdelikt, kein vorheriger Streit. Die aus Wilmersdorf stammende 48-jährige Hobbyfotografin war auf dem Friedhof an der Lilienthalstraße offensichtlich spontan und völlig ziellos erstochen worden. Zwar hatten viele Menschen einen auffälligen Mann beschreiben können: ein großer junger blonder Wirrkopf, der im Zick-Zack über Friedhöfe lief und dort an verschiedenen Gräbern laut betete. „Den kriegen wir bald“, hieß es in den ersten Tagen nach dem Mord bei der Kripo. Doch das war ein Trugschluss. Ungewiss, ob der Fall jemals gelöst worden wäre, das sagt auch die Polizei. Nach der Verhaftung des Mannes sagte der Leiter der Mordkommissionen, André Rauhut: „Er passte nicht in unser Täterprofil.“ Denn die Kripo hatte einen psychisch Kranken gesucht. Der 21-Jährige gilt aufgrund von Gutachten gesund.

Kurz vor Mitternacht des 30. Dezember 2003 stellte sich der Ex-Soldat im Polizeiabschnitt 52. Der ist nur einen Kilometer vom Tatort weg. Offensichtlich hatte der Mann keinen Ausweg mehr für sich gesehen. Seine Schwester, zu der er nach seinem Wehrdienst gezogen war, hatte ihm ein Ultimatum gestellt: Bis spätestens Silvester sollte er ausgezogen sein. Mit den Worten „Ich werde gesucht“meldete er sich auf dem Abschnitt in der Friesenstraße. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen und gestand. Der Mordkommission sagte er, dass er mit einigen Kumpels in der Hasenheide herumgezogen sei, getrunken und gekifft habe. Der Frau habe er den Fotoapparat rauben wollen, gab er als Motiv an. Als die Frau in Todesangst schrie, rannte er weg. Den Fotoapparat ließ er liegen. Als Zeugen benannte er nach der Festnahme einen Bekannten. Die Kripo machte diesen zwar ausfindig, doch war der nach Angaben der Polizei nicht auf dem Friedhof. Die Kripo geht davon aus, dass der Mann in diesem Punkt nicht die Wahrheit gesagt hat. Ein Termin für den Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts steht noch nicht fest.

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