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Berlin: Anleitung für eine gute Pflege

Stürze, Inkontinenz, Dekubitus sind wiederkehrende Probleme in Heimen Landesweite Expertenleitlinien sollen helfen, sie zu vermeiden

Bei der Versorgung von Pflegeheim-Bewohnern müssen sich die Pflegekräfte immer wieder mit Problemen auseinandersetzen, die für die Patienten zur Gefahr werden können: Druckgeschwüre zum Beispiel, Inkontinenz oder Stürze. Einmal jährlich erhebt das Charité-Institut für Pflegewissenschaft in einer Stichprobe die Häufigkeit der wichtigsten Pflegeprobleme. In den aktuellsten Bericht von 2007 flossen die Ergebnisse aus 29 bundesdeutschen Pflegeheimen mit rund 2400 Bewohnern ein.



Dekubitus

Ein Dekubitus genanntes Druckgeschwür entsteht durch die einseitige Belastung einer Körperpartie, wenn ein bettlägeriger Mensch nicht häufig genug bewegt wird. Der ständige Druck verursacht eine mangelnde Durchblutung, die auf Dauer zum Absterben des darunter liegenden Gewebes führt. Ein Druckgeschwür wird in vier Grade eingeteilt: von Grad 1, das ist eine Hautrötung, bis Grad 4, sprich tiefgehender Haut- und Gewebedefekt, bei der auch Muskeln und Knochen angegriffen sein können. In der Stichprobe des Charité-Institutes für Pflegeforschung waren 2850 Heimbewohner (61 Prozent) dekubitusgefährdet, das heißt, sie waren zum Beispiel bettlägerig und dabei so wenig mobil, dass sie von den Pflegern bewegt werden mussten. Von diesen Betroffenen litt jeder achte tatsächlich unter einem Druckgeschwür.

Stürze

Immer wieder stürzen Bewohner in Pflegeheimen und verletzten sich dabei schwer. In großen Analysen kamen Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass im Durchschnitt ein Drittel bis zur Hälfte der Pflegeheimbewohner einmal pro Jahr stürzt. Bei jedem vierten der Betroffenen führt dies zu Knochenbrüchen oder größeren Wunden. In den Stichprobe-Heimen der Charité-Studie waren 3,7 Prozent der Bewohner binnen zweier Woche vor der Datenabfrage gestürzt. Die Ursachen können dabei sehr unterschiedlich sein. So erhöhen bestimmte Arzneien wie Psychopharmaka oder Beruhigungsmittel die Sturzanfälligkeit. Ebenso können Demenz-Erkrankungen oder die Abhängigkeit von Gehhilfen zu solchen Unfällen führen.

Harninkontinenz

Als harninkontinent werden Menschen bezeichnet, die unwillkürlich Urin verlieren, weil sie die Kontrolle über die Blase verloren haben. Dies kann zum Beispiel durch neurologische Erkrankungen oder durch falsche Belastung des Beckenbodens verursacht werden. Laut der Auswertung der Charité hängt die Harninkontinenz auch vom Alter ab. Während der Anteil der harninkontinenten Heimbewohner bei den unter 66-Jährigen bei knapp 56 Prozent lag, wuchs er bei den über 85-Jährigen auf 72 Prozent. Frauen sind davon wesentlich häufiger betroffen als Männer.

Wie tragen Leitlinien zur Verbesserung der Pflegequalität bei?

Um mit der Gefahr von Druckgeschwüren oder mit Harninkontinenz bei Bewohnern richtig umzugehen, wenden die meisten Berliner Pflegeheime Leitlinien auf Grundlage von Expertenstandards an (siehe Rubrik Qualitätsmanagement in unseren Bezirkstabellen). Diese Expertenstandards werden auf der Grundlage pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse in der Fachhochschule Osnabrück entwickelt. Diese Standards benennen zum Beispiel Verhaltensregeln für die Pflegekräfte, um die Entstehung eines Druckgeschwürs bei Bewohnern zu vermeiden. In der Praxis heißt das, die Betroffenen regelmäßig zu bewegen oder ihre Haut mit durchblutungsfördernden Salben einzureiben. Zur Leitlinie zählt auch die Empfehlung, Hilfsmittel wie Spezialkissen oder Dekubitusmatratzen einzusetzen, die mit wechselndem Luftdruck die Dekubitusgefahr verringern können.

Um Stürze zu vermeiden, raten die Fachleute, eine Einrichtung baulich von Sturzrisiken wie Türschwellen und ähnlichem frei zuhalten. Außerdem sollten die gefährdeten Bewohner spezielle Schuhe tragen oder nur gestützt auf Angehörige oder Pflegekräfte zur Toilette gehen. Darüber hinaus sollte das Heim Kurse zur Förderung von Kraft und Balance anbieten.

Der Umgang mit Inkontinenz erfordere vom Personal wegen der Schamgrenzen der Betroffenen großes Feingefühl, heißt es im Expertenstandard zur Förderung der Harnkontinenz. Auch darin müsse es geschult sein. Außerdem müsse die Einrichtung für ein kontinenzförderndes Umfeld sorgen. Das heißt: Die Toiletten müssen leicht zugänglich und Hilfsmittel wie Vorlagen oder Windeln ausreichend vorhanden sein.

Ziel der Leitlinien ist es, dass das Personal diese Vorgaben kennt – und natürlich auch anwendet, also etwa für jeden Bewohner das individuelle Dekubitus-Risiko bestimmt. Der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe existiert seit dem Jahr 2000, der für die Sturzprophylaxe seit 2006. 2007 wurde der Expertenstandard zur Kontinenzförderung eingeführt, weitere sind in Vorbereitung. Ein Heim ist allerdings nicht verpflichtet, für seine Leitlinien den jeweilige Expertenstandard eins zu eins übernehmen. Es kann die Vorgaben auf die eigenen Bedürfnisse anpassen.

Betroffene und Angehörige, die Pflegemängel anzeigen wollen, können sich an die Beratungsstelle Pflege in Not wenden. Die Telefonnummer lautet 030 / 69 59 8989. Pflegekräfte können anonym auf Missstände in ihrem Heim hinweisen. Die Internetseite www.kritische-ereignisse.de bietet dazu die Möglichkeit. Dieses Projekt wird vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt.

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