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Polizeibeamte untersuchen in Berlin die Umgebung einer Bahnstrecke, an Brandsätze entdeckt wurden. Die Gleise sind nicht durch Zäune gesichert.

© dpa

Anschlagsserie in Berlin: Bahn will Gleise nicht besser schützen

Die Polizeigewerkschaft fordert nach der Anschlagsserie eine Einzäunung der Anlagen. Dem Unternehmen geht das zu weit. Auch viele Anwohner wünschen sich eine bessere Absicherung der Strecken.

Die Bahn lehnt auch nach der Anschlagsserie mit Brandsätzen eine komplette Einzäunung ihrer Bahnanlagen ab. Dies sei angesichts von 35 000 Kilometern Streckennetz und damit erforderlichen 70 000 Kilometern Absperrung nicht zu leisten, hieß es. Und zudem garantiere ein Zaun auch keine Sicherheit. „Wer Brandsätze legt, klettert auch über Zäune“, sagte ein Bahnsprecher.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat nach der Anschlagsserie in Berlin und dem Umland ein umfassendes Sicherheitskonzept für die Eisenbahn gefordert. Dazu gehört nach Angaben des Berliner GdP-Chefs Michael Purper auch die Frage der Zugänglichkeit der Gleise. Tatsächlich ist es selbst in der Innenstadt leicht möglich, auf stark befahrene Trassen zu gelangen. Dazu bedarf es keiner kriminellen Energie, sondern nur Neugier. So sind in Charlottenburg und Moabit die Gleisanlagen auf dem Nordring durch defekte Tore oder niedergerissene Zäune vielerorts zu betreten.

Eine Anwohnerin, die nach den Anschlägen ein seit Langem offenstehendes Tor bei Polizei und Bundespolizei gemeldet hat, ärgert sich über das anhaltende Desinteresse der Behörden. „Das ist Sache der Bahn“, sei die Auskunft gewesen. Durch das Türchen in dem nur ein Meter hohen Zaun gelangen Unbefugte über eine Treppe direkt auf die Gleise, auf denen neben S-Bahnen auch die ICEs Richtung Hamburg und Hannover fahren. Zudem liegen derzeit dort die Kabel der Signalanlagen offen – genau diese Situation hatten die bis heute unbekannten Attentäter genutzt. Auf Nachfrage des Tagesspiegels sicherte ein Bahnsprecher zu, dass man sich die Zäune dort ansehen werde. Reparaturen seien aber eine Frage des Geldes. Angesichts der hohen Vandalismusschäden könne eine Behebung aller Probleme dauern. Polizeigewerkschafter Purper forderte die Bahn gestern auf, zumindest bestehende Absperrungen in Ordnung zu halten.

In der Stadt werden nach Angaben der Bahn Absperrungen dort installiert, wo Gleise „unabsichtlich“ betreten werden können, zum Beispiel an Bahnübergängen. Bei einer Treppe, die zu einem Bahndamm führt, sei dagegen klar, dass das Betreten von Gleisen verboten sei. „Wissen das auch spielende Kinder?“, fragt hingegen die Charlottenburgerin, die auf die offenen Türen gestoßen war. Die Bahn aber sieht die deutsche Rechtsprechung auf ihrer Seite: „Auch Kinder und Jugendliche können nicht beanspruchen, ganz allgemein vor den Gefahren waghalsiger Spiele geschützt zu werden“, heißt es in einer einschlägigen Gerichtsentscheidung. Straßen und Seen seien ja auch nicht eingezäunt, argumentieren die Richter.

In mehreren Fällen hatten Anwohner bei der Bahn aus Sicherheitsgründen eine Einzäunung von Gleisen erstritten, so zum Beispiel bei der Verlängerung der S-Bahn-Gleise nach Teltow. Anders als in Deutschland sind zum Beispiel die Gleise der französischen Schnellfahrstrecken hermetisch gesichert. Heute wollen die Innenminister von Bund und Ländern über die Brandanschläge und die Sicherheit sprechen. Zudem debattiert der Deutsche Bundestag auf Antrag von CDU/CSU und FDP zu dem Thema „linksextremistisch motivierte Gewalt“. Gestern suchte das Bundeskriminalamt am Fundort eines Brandsatzes nahe Südkreuz mit Suchhunden erneut nach Spuren.

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