zum Hauptinhalt

Berlin: Anstehen für die Höllenmaschine

Aldi-Computer sind Kult. Gestern kam die neue Generation in die Läden. Und halb Berlin war da

Jan Schmitz kann ein Gähnen nur schwer unterdrücken. Eigentlich hätte der angehende Wirtschaftsingenieur heute ausschlafen können. Seine erste Vorlesung beginnt um 12 Uhr. Der Wecker hat trotzdem schon um 6 Uhr 50 geklingelt. Statt weiter unter der warmen Bettdecke seinen Träumen nachzugehen, harrt der Student seit 7 Uhr 50 vor der gläsernen Eingangstür des Aldi-Markts in den Potsdamer Platz Arkaden aus. Schmitz will sicher gehen, einen der „Titanium MD 8000“-PCs zu ergattern, den neuesten Aldi-Computer. Bisher stehen seine Chancen gut. Er ist Nummer Drei in der Schlange. Nummer Eins, der seinen Namen nicht nennen möchte, hat schon um 6 Uhr morgens Stellung bezogen. „Schön ist das nicht“, sagt der Frühaufsteher und nimmt einen großen Schluck aus dem Kaffeebecher. Es ist 8 Uhr. Noch anderthalb Stunden, dann wird geöffnet. 30 Minuten später als im Rest Berlins. „Ich bin bei mehreren Aldi-Filialen vorbeigefahren. Überall waren Schlangen“, sagt Stefan Fries. In die Arkaden sei er gekommen, „weil’s hier am wärmsten und am leersten ist“, erklärt der kaufmännische Angestellte. Auch für Johannes Ziegler waren die Arkaden ein Geheimtipp. „Hier kommen später die Reste der anderen Filialen hin“, weiß der Bibliothekar. Ziegler hat es sich gemütlich gemacht – sitzt auf einem Camping-Hocker, in den Händen hält er den Tagesspiegel. So richtig zum Lesen kommt er aber nicht, unterhält sich lieber mit den übrigen Anstehenden. Worüber? Na, über den Aldi-PC, „die Höllenmaschine des Jahres“, wie Ziegler in einer Computer-Zeitschrift gelesen hat. Mit 2,6 Gigahertz getaktetem Intel-Pentium-4-Prozessor, DVD-Laufwerk, CD-Brenner, leisem Lüfter und 120 Gigabyte-Festplatte. „Ein echter Knüller“, meint der Bibliothekar. Auch in anderen Discountern gibt es inzwischen Schnäppchen-PCs, aber mit seiner hochwertigen Austattung ist der Aldi-PC immer noch konkurrenzlos günstig.

9 Uhr. Während in den übrigen Aldi-Filialen Berlins der Ansturm auf die PCs losgeht, wird in den Arkaden noch fleißig angestanden. 48 Personen zählt die Schlange inzwischen, und ständig kommen mehr Menschen. Immer wieder klingeln Handys, Angehörige und Freunde fragen, ob es noch klappt mit dem neuen Rechner. Zeitungen knistern, eine Studentin vertreibt sich mit Mathematikaufgaben die Zeit. In ihrer Tasche hat sie mindestens 1199 Euro, genauso wie die anderen in der Schlange auch. Denn so viel kostet der Rechner. Für viele ist es ihr Weihnachtsgeld.

Plötzlich kommt Bewegung in die Masse. Die Glastür öffnet sich, etwa 80 Kauflustige stürmen in die Aldi-Fililale, stürzen sich auf die Paletten mit den Rechnern. Doch die Eile ist eigentlich unnötig. Es ist genug da – keiner muss leer nach Hause gehen. Bis um kurz nach halb eins sind in den Arkaden noch PCs zu haben. „Da hätte man auch später kommen können“, sagt Fries und reiht sich erneut in die Schlange ein – diesmal an der Kasse.

Viola Volland

Zur Startseite