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Berlin: Anstehen fürs kleine MoMA-Revival

Im Gropiusbau sind 250 Zeichnungen aus dem New Yorker Museum of Modern Art zu sehen

Sie schlängelt sich noch nicht so richtig, die neue MoMA-Schlange. Ihr Wachstum ist verhalten. Es gibt ein paar Hüte und bunte Schals, mit der sie sich schmückt, aber keine Luftballons oder Hocker zum Ausruhen. Es ist dreiviertel zehn am Morgen, in wenigen Minuten wird sich das Hauptportal des Gropiusbaus öffnen, um die Schlangensteher in die MoMA-Ausstellung „Kompass“ mit 250 Zeichnungen wichtiger Künstler der Moderne einzulassen. Die Wartenden sind allesamt erwartungsfroh gestimmt.

Viele von ihnen waren schon beim ersten Mal dabei, 2004, als das New Yorker Museum of Modern Art seine Meisterwerke exklusiv nach Berlin entsandte und einen Publikumsansturm auslöste, der in der modernen Museumsgeschichte seinesgleichen sucht. Berühmt wurde damals auch die MoMA-Schlange, die sich um die Neue Nationalgalerie schlängelte und eine eigene Dynamik entwickelte. Schließlich waren viele Kunstfans länger in der Schlange als später in der Ausstellung. Einige übernachteten vor der Nationalgalerie, um morgens als Schlangenkopf aufzuwachen. Artistische Brezelverkäufer, Straßen-Pantomimen und Musiker veredelten die Schlange zu einer eigenständigen Attraktion. Der MoMA-Miethocker von Ikea wurde gleich hundertfach als Souvenir entwendet. Die Kunstschau gilt mit 1,2 Millionen Besuchern als eine der erfolgreichsten in Deutschland.

Diesmal ist die Schlange eher ein Stummel. Eine Frühaufsteherin aus Frohnau ist ganz vorn. Getrieben von der Angst, es würde wieder so werden wie bei der ersten MoMA-Schau, war sie eine Dreiviertelstunde vor Öffnung zum Gropiusbau gekommen. Die 69-Jährige malt selbst, aber nur als Hobby. 2004 hatte sie sich eine Jahreskarte für die Neue Nationalgalerie besorgt, damit konnte sie die Schlange umgehen und insgesamt dreimal die Ausstellung besuchen.

Das Team im Gropiusbau bemüht sich intensiv, die MoMAnie diesmal unter Kontrolle zu halten. Es gibt Zeitfenstertickets im Internet, und bei größerem Ansturm können zusätzliche Kassen in Betrieb genommen werden. Allerdings gibt es ein anderes Nadelöhr. Weil die Zeichnungen und Objekte nur zehn relativ kleine Räume im zweiten Obergeschoss füllen, dürfen maximal 300 Besucher zeitgleich hinein. Dadurch könnte sich häufiger eine Schlange formieren.

Der Leiter des Gropiushauses, Gereon Sievernich, sieht dieses Nadelöhr nicht als wirkliche Gefahr. Der erste Tag sei „wunderbar“ gelaufen, gänzlich schlangenfrei, obwohl bis zum frühen Nachmittag 1000 Besucher gezählt wurden. Sollten weit mehr Menschen kommen als prognostiziert, werde man eben die Öffnungszeiten verlängern. Sievernich betont, dass es sich schließlich um eine „kleine MoMA“ handelt.

Zu sehen sind Werke von Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Donald Judd, Martin Kippenberger, aber auch von weniger bekannten Künstlern. Viele Zeichnungen und Collagen sind Vorstudien, die namenlos geblieben sind. Einen Bezug zur MoMA-Gemäldesammlung gibt es beim Schotten Jim Lambie, der in seine Collagen Selbstporträts von Max Beckmann und Manet-Figuren eingefügt hat. Zu den Erstbesuchern gehörten eine Touristenfamilie aus Italien, ein pensionierter Lehrer aus Würzburg und ein älteres Paar aus dem Rhein-Main-Gebiet. Die Rheinländer sind MoMA-erfahren. 2004 kamen sie um 23 Uhr in die Ausstellung, fast ohne anzustehen. Eine Kunstlehrerin aus Karlshorst hat sich extra freigenommen, um Neues zu entdecken. Sie ist bester Laune, auch, weil sie die einkalkulierte Wartezeit nun in die Ausstellung investieren kann.

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