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Berlin: Anstehen zum Umtausch

Seit zwei Jahren ist sie tot – doch die D-Mark lebt weiter. In Kellern, auf Dachböden, in Schwiegermutters Schürze

Es rutschen die silbernen Münzen aus der Plastiktüte zur letzten Begutachtung. 10-Mark-Stücke, Sonderprägungen zu diversen Olympischen Spielen, viele Fünfer und Zweier. Die Münzsammlung vom Vater, jahrzehntelang gehütet, kommt nun zum Altmetall. Der Sohn schämt sich ein bisschen dafür. Aber der Vater ist ja gestorben, die Wohnung aufgelöst. Was etwas wert ist, wird verwertet. 674 Euro bringen die D-Mark Münzen ein. Mit soviel Geld hatte der Sohn gar nicht gerechnet.

Vor zwei Jahren wurde die D-Mark außer Dienst gestellt, doch aus den Kellern, Dachböden, Schränken, Taschen und Sparschweinen ist sie noch lange nicht verschwunden. In der Berliner Filiale der Bundesbank stauen sich jeden Morgen umtauschwillige D-Mark-Besitzer und können es selbst nicht glauben, wie viele sie noch sind. 300 bis 400 kommen jeden Tag, sagt der stellvertretende Filialleiter Andreas Kruse. Manchmal bringen sie 50-Pfennig-Stücke, mit denen früher der Trockner im Keller gefüttert wurde, manchmal auch 50000 Mark aus einem Bankschließfach. Transportiert wird die heiße Ware meist im schlichten Jutesack oder einer Plastiktüte. Tablettendosen und Senfgläser kommen zum Einsatz. Es kommen aber auch Herren mit Binder und Aktentasche. Auskünfte erteilen möchten sie nicht.

Und das Hervorkramen unverhoffter D-Mark-Altbestände wird so schnell nicht aufhören. Bis zum 31. 12. 2002 waren erst 50 Prozent der bis zur Euro-Einführung ausgegebenen D-Mark-Münzen in den Schoß der Bundesbank zurückgekehrt, sagt Kruse. Meistens kommt das alte Geld zutage, wenn Wohnungen von Verwandten aufgelöst werden. Ein hagerer Mann mit Hornbrille erzählt, er habe 300 Mark  in Münzen und Scheinen aus den Kleidern seiner Schwiegermutter gefischt.

Einige suchen systematischer nach der D-Mark. Rund 5000 Altmünzen habe er schon in der Bundesbank umgetauscht, berichtet ein Mitarbeiter des Grünflächenamtes. Die meisten fand er beim Durchforsten der Parkanlagen. Elke Obremba, als Hausfrau für die Finanzen ihrer Familie zuständig, hat 400 Mark „Schmugeld“ zusammengekramt, zumeist Groschen und Markstücke aus alten Taschen und Geldbörsen. Eveline Kaminski, angehende Krankenschwester, plünderte mal so nebenbei die Spardose ihres Freundes und entdeckte ein buntes Gemisch aus Euros und D-Mark-Münzen.

Nicht nur die Bundesbank akzeptiert noch D-Mark. Karstadt am Hermannplatz tauscht in seinem Service-Center weiterhin in Euro um. In den Kaufhof-Filialen wird auch noch altes Geld angenommen. Bei Umtauschaktionen in den Spandau-Arcaden kamen an zwei verkaufsoffenen Sonntagen 85000 Mark zusammen. „Das hat uns vollkommen überwältigt“, sagt Centermanager Bernd Muchow. Derzeit werden D-Mark-Scheine im Büro des Centermanagers in Einkaufsgutscheine gewechselt. Eine weitere Umtauschaktion im nächsten Jahr ist schon geplant. Auch D-Mark-Kneipen gibt es noch, vornehmlich in Spandau. Sie heißen „Spandauer Bock“ oder „Zur Altstadt“.

Für Besitzer ausländischer Alt-Banknoten wird die Zeit allerdings knapp. Nur noch bis Ende des Jahres tauscht die Bundesbank solche Bestände um. Allerdings kostet die Transaktion pauschal 10 Euro. Kleinere Summen kann man in der Bank für wohltätige Zwecke spenden – kostenlos.

Bundesbank, Filiale Berlin, Kurstraße 40, Bezirk Mitte. Geöffnet Montag bis Freitag, 8.30 bis 13 Uhr.

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