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Tor für Deutschland! Nicht nur die Begeisterung für die Nationalmannschaft hat bei Berliner Kindern zugenommen, die Vereine erwarten auch einen Ansturm auf ihre Mannschaften.

© Doris Spiekermann-Klaas

Ansturm auf Vereine nach der WM: Berlins Fußball hat Platzangst

Berlins Fußballvereine rechnen nach der WM mit starkem Zulauf im Kinder- und Jugendbereich. Doch Probleme bremsen den Boom.

Hoch ragen die Flutlichtmasten des Stadions in den Sommerhimmel. Nächstes Jahr spielen hier Fußballerinnen um den Champions-League-Titel, und schon heute weht ein Hauch großer fußballerischer Klasse durch den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg. Zwei Müllers, zwei Podolskis, ein Özil und ein Kroos: Die Trikots in dem Gewusel auf dem Kunstrasenplatz vor dem Stadion sind schon weltmeisterlich.

„Dieses Jahr kommen fast alle in Deutschland-Trikots“, sagt Trainer Peter Hummel, der das Fußball-Feriencamp des SV Empor Berlin mitbetreut. Eine Woche lang sind hier mehr als 100 Kinder von morgens bis abends fast nur auf dem Platz. Einer von ihnen ist der achtjährige Robert, auch er im Deutschland-Trikot. Jetzt hat er den Ball verloren und flitzt ihm hinterher. „Vorsicht! Rennt euch nicht gegenseitig um“, ruft sein Trainer. Robert ist gerade im Anfängertraining; er interessiert sich erst seit einem halben Jahr für Fußball, die WM hat ihn vollends begeistert.

Fußball ist in Berlin seit Jahren in Mode

Denn nicht nur die Nationalmannschaft ist bei den Kindern beliebter geworden: Viele Vereine rechnen nun mit einem Boom im Kinder- und Jugendfußball. „Es haben sich wohl viele von der Leidenschaft anstecken lassen, das war auch früher nach erfolgreichen Turnieren so“, sagt Gerd Thomas vom FC Internationale in Schöneberg. Das erwartet auch der Berliner Fußball-Verband (BFV): Schon nach dem „Sommermärchen“ 2006 habe es bemerkenswert viele Neueintritte im Jugendbereich gegeben, sagt Sprecher Kevin Langner, dieses Jahr sei mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen.

Ohnehin ist Fußball in Berlin seit Jahren in Mode. Der Verband ist mit 137 000 Mitgliedern der größte im DFB-Regionalverband Nordost. 2005 hingegen, im Jahr vor dem Sommermärchen, hatten noch fünf nordöstliche Verbände mehr Mitglieder als der BFV. Eine Rolle dabei spielt sicher die gute Jugendarbeit vieler Vereine.

Auch wenn Fußball am Anfang ziemlich kompliziert sein kann. Das erfährt gerade der achtjährige Bernie: Der Ball will einfach nicht. Vorsichtig streichelt ihn Bernie mit der rechten Fußsohle, einmal, noch mal, dann mit der linken ... Denkste, der Ball ist längst weggerollt. Noch mal von vorne. Von oben knallt die Mittagssonne auf Bernies gesenkten Kopf. Den Blick starr auf den Ball gerichtet hüpft er auf dem linken Bein, jetzt der Wechsel ... Es klappt!

Die Hauptsorgen der Vereine: Trainer- und Platzmangel

Zusammen mit Freunden hat Bernie viele WM-Spiele gesehen. „Mir hat am besten gefallen, dass wir Weltmeister geworden sind“, sagt er. Vor dem Turnier hat er sich noch kaum für die Nationalelf interessiert, jetzt ist er richtig begeistert. Am liebsten steht Bernie in der Abwehr, wie Mats Hummels. Er will ab jetzt viel öfter spielen.

Zwei Probleme haben die Vereine aber: Trainer- und Platzmangel. Immer weniger Menschen haben zuverlässig an einem bestimmten Wochentag Zeit, um ein Training zu leiten. Außerdem gibt es immer weniger Möglichkeiten, Fußball zu spielen. Laut einem Bericht der Sportministerkonferenz aus dem Jahr 2002 hat das Land Berlin die zweitwenigsten Fußballfelder pro Fußballer in ganz Deutschland. Und in der Zwischenzeit ist die Stadt weiter gewachsen.

„Die Innenstadt ist mit ihrer Infrastruktur gar nicht auf die vielen neuen Spieler vorbereitet, Berlin kümmert sich ja nur um Olympia“, sagt Gerd Thomas vom FC Internationale. „Der Verband muss schleunigst dafür sorgen, dass wir mehr Plätze bekommen.“ Der Verband allerdings verweist auf die Politik – und auf die Bevölkerung. „Mit dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld wurde eine große Chance vertan, mehr Fußballplätze zu schaffen“, sagt Kevin Langner. „Jetzt steht das Land Berlin vor dieser großen Aufgabe.“ 

Viele Anwohner wehren sich gegen Fußballplätze

Bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport wiederum heißt es: „Für die Neuanlage von Sportplätzen sind grundsätzlich die Bezirke zuständig.“ Das Land betreue nur wenige Anlagen wie den Olympiapark oder den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. In beiden Fällen gebe es auch Überlegungen, zusätzliche Plätze zu bauen. In Pankow ist das besonders nötig, schließlich steigt hier die Zahl der Kinder sehr stark. „Natürlich sind wir uns des Problems bewusst“, sagt Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD).

Doch für mehr Plätze brauche es eben vor allem: Platz. Den gebe es kaum noch. Und dann ist da auch das Thema Lärm: Viele Anwohner haben strenge Auflagen wie Spielverbote nach 20 Uhr oder am Sonntagnachmittag durchgesetzt – also dann, wenn Vereine trainieren oder Spiele austragen wollen. Auch wer sein Haus an einen seit Jahrzehnten bestehenden Sportplatz baut, kann gerichtlich gegen den Lärm vorgehen.

Fußball braucht Platz – und der wird immer knapper in der Stadt, die vor ein paar Tagen noch frenetisch ihre Weltmeister gefeiert hat. Und das, obwohl Jerome Boateng, der im WM-Finale die deutsche Verteidigung zusammenhielt, auf den hiesigen Bolzplätzen das Kicken gelernt hat.

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