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In vielen Seniorenwohngemeinschaften brauchen die Bewohner mehrere Stunden am Tag die Hilfe von Betreuern.

© dpa

Arbeitsrecht: Gericht: Frau darf Ex-Firma anprangern

Eine gekündigte Haushälterin kritisierte den Pflegedienst, für den sie lange gearbeitet hat. Der wollte das untersagen lassen - erfolglos.

Beide Seiten lassen nicht locker, beide standen sich schon beinahe zehn Mal vor Gericht gegenüber. Der 43-jährigen Angelika-Maria K. wurde vergangenes Jahr von dem Pflegedienst, für den sie lange tätig war, gekündigt. Nun hat ihr Ex-Arbeitgeber versucht, ihr untersagen zu lassen, weiter schlecht über die Firma zu reden – das Arbeitsgericht lehnte dies jedoch ab. Der ambulante Dienst, für den sie arbeitete, organisiert die Betreuung von demenzkranken Bewohnern in Seniorenwohngemeinschaften. K. war krankheitsbedingt entlassen worden, was von einem anderen Richter zunächst als rechtens bestätigt worden ist. Dennoch darf sie über die ihr zufolge mangelhafte Versorgung der Senioren sprechen, urteilte das Gericht am Mittwoch.

Da das Urteil noch nicht schriftlich vorliegt, ist unklar, ob K. weiter nur gegenüber Pflegefachleuten und Ämtern erzählen darf, dass etwa „sechs von sieben Bewohnern“ im Notfall keine Möglichkeit gehabt hätten, „den Bereitschaftsdienst zu rufen“. Möglicherweise könnte sie ihren Ex-Arbeitgeber auch öffentlich anprangern, obwohl dies bisher wohl nicht beabsichtigt gewesen ist. Der klagende Anwalt will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.

Im Saal des Arbeitsgerichts saß am Mittwoch auch Ex-Vivantes-Altenpflegerin Brigitte Heinisch, die sich mit K. solidarisch erklärte. Heinisch hatte 2010 einen ungleich spektakuläreren Fall gewonnen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im französischen Straßburg hatte erklärt, dass die Bundesrepublik Deutschland das Recht der 49-jährigen Berlinerin auf Meinungsfreiheit beschnitten habe – und zwar weil deutsche Gerichte zugunsten ihres früheren Arbeitgebers Vivantes geurteilt hatten.

Die Berliner Klinikkette hatte Heinisch fristlos entlassen, nachdem sie ihren Arbeitgeber öffentlich kritisiert und schließlich angezeigt hatte. Das öffentliche Interesse an mangelhafter Altenpflege wiege höher, urteilten die Richter in Straßburg, als die Sorge des Arbeitgebers vor Rufschädigung.hah

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