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© Doris Spiekermann-Klaas

Archäologie: Dicke Brocken vom Schloss

Forscher hoffen auf einen Sensationsfund bei den Ausgrabungen am künftigen Humboldt-Forum, die inzwischen zur kleinen Schaustelle geworden sind. Touristen zücken ihre Kameras, jeden Freitag um 14 Uhr gibt es eine Führung. Bis zum Baubeginn wird gegraben und geforscht.

Wind treibt den Staub über den Schlossplatz, aber die Archäologen, die gegenüber dem ehemaligen Staatsratsgebäude zwischen den Resten der Fundamente arbeiten, stören solche Wetterbewegungen nicht. Der Bauplatz am Schlossgelände hat mittlerweile eindrucksvolle Maße angenommen. Grabungsleiter Peter R. Fuchs spricht von 70 mal 35 Metern, „hier, über diesem Areal, stand einst das wuchtige Eosanderportal, der feierliche Eingang zum Schloss“.

Die Grabungen im Auftrag der Abteilung Boden- und Denkmalpflege beim Landesdenkmalamt sind zur kleinen Schaustelle geworden, Touristen zücken ihre Kameras, jeden Freitag um 14 Uhr gibt es eine Führung. Dabei erfährt man, dass hier bis zum Baubeginn für das Humboldt-Forum, der im kommenden Jahr geplant ist, gegraben und geforscht wird: „Der Untergrund des Schlossplatzes birgt bedeutende Überreste von mehreren Bauten, die erheblichen Einfluss auf die Stadtentwicklung hatten“, sagt Peter Fuchs, der mit seiner Mannschaft bisher 60 Paletten voller Steinblöcke, Säulenfragmente, Teile von Trommeln sowie Metall- und Treppengitter gefunden und geborgen hat – Material, mit dem beim Abriss des Hohenzollernschlosses der Keller verfüllt worden war. Auch die Reste der für den Kaiser 1890 eingebauten Warmluftheizung wurden gefunden, gesucht werden dagegen noch die verschollenen Gebeine der Kurfürsten Johann Cicero (1455–1499), Joachim I. (1484–1535) und Joachim II. (1505– 1571). Deren sterbliche Überreste waren bei der Bergung der Gebeine sämtlicher Hohenzollern aus dem alten Dom nicht entdeckt worden, 1880 suchte man schon einmal vergeblich im Bereich der damaligen Domkirche und des ehemaligen Klosters, „aber vielleicht haben wir diesmal mehr Glück, wer weiß“, sagt Peter Fuchs, der nicht nur in Berlin forscht. Bei seiner zweiten Grabungsstelle in Peru hatte er die sensationelle Entdeckung einer frühen Tempelanlage von 3500 v. Chr. gemacht.

Natürlich drängt sich angesichts der freigelegten Bauteile aus mehreren Jahrhunderten die Frage auf, wie die Funde behandelt werden sollen. „Wenn sie es mit der Rekonstruktion des Schlosses für das künftige Humboldt-Forum ernst meinen, dann muss das alles wieder hin“, sagt der Archäologe. Er könnte sich vorstellen, dass man den Keller mit einer Decke „überfängt“ und museal nutzt, andere Städte machen uns das vor, sagt er, „wenn ich irgendetwas rekonstruiere, kann ich nicht das einzige Erhaltene rausreißen“. Oder – und das vom Wetter gegerbte Gesicht von Dr. Fuchs verfinstert sich – „ich mache alles neu, auch den Keller, und kriege am Ende eine leblos herz- und hirnlose Gipskiste mit etwas Zuckerguss – wie die Kommandantur am Anfang der Linden. Das würde auch nicht billiger, aber billiger aussehen“.

Am liebsten möchte der Archäologe auch die im Untergrund geborgenen, zentnerschweren, teils gut erhaltenen, aber auch teilweise stark lädierten Natursteinblöcke für den Wiederaufbau mit verwenden, da könnte es sogar Parallelen mit den Plänen der Schlossbaufreunde um Wilhelm von Boddien geben. Was sagen die offiziellen Stellen, also das für den Schloss-Aufbau federführende Bundesbauministerium, zu der Idee, die Keller mit ihren Schätzen als „archäologisches Fenster“ zu überbauen, um die Vergangenheit, die unter dem Schlossplatz allgegenwärtig ist, quasi begehbar zu machen? Nichts sagen sie bei den Bau-Oberverantwortlichen, verweisen auf Pressestellen, die gerade im Urlaub sind – und auf eine Phase der Vorbereitung, in der sich wohl auch der Wettbewerbssieger Franco Stella befindet. Mit dem Hinweis, er sei kein Tragwerksplaner, hat er die Kellerfrage erst einmal beiseite gelegt – dabei ist sie nicht unwichtig, denn jeder Bau fängt ganz unten an, und da möchten die Archäologen schon einmal wissen, wie mit ihrer Arbeit umgegangen wird und ob sie am Ende vielleicht ganz umsonst war. Zugespitzt könnte man fragen, was unter dem Humboldt-Forum dereinst wohl zu finden sein wird – ein Blick zurück in 400 Jahre Geschichte oder, am Ende anderer Begehrlichkeiten, eine Tiefgarage. Es kann spannend werden.

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