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Berlin: Architekt Baller macht dem Szeneviertel den Hof

Am Hackeschen Markt eröffnet eine neue Passage mit Läden für die Avantgarde

Gestern waren die Rosenhöfe noch fest in Handwerkerhand. Kabeltrommeln wurden umhergetragen, türkise Lampen angeschraubt, Fenster geputzt. Jetzt sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein, denn am heutigen Freitag wird die neueste Ladenpassage in Mitte eingeweiht. Offiziell wird die Eröffnung erst am 26. November gefeiert – mit einem großen Fest.

Nach den Hackeschen Höfen und dem Paulinenhof in der Sophienstraße nun also noch ein sanierter Hof im Karree Rosenthaler Straße. „Ich finde das klasse. Das ist noch eine Attraktion mehr in der Gegend“, meint Tobias Heckhausen vom Ampelladen in den Hackeschen Höfen 5. Der Großteil der Läden in den Rosenhöfen hat schon seit rund zehn Tagen sein Quartier bezogen, doch bisher trauten sich die Kauflustigen noch nicht in die Geschäfte. Der Baulärm schreckte viele der Neugierigen ab, die über den geschlängelten Steinpfad durch den Hof wandelten, mal in die großen Schaufenster guckten, mal die Köpfe in die Luft reckten, um die Architektur des sanierten Rokoko-Gebäudes in Augenschein zu nehmen. Rosa leuchtet die Fassade, dazwischen immer wieder ein goldener Glanz, türkis-grüne, filigran geschwungene Metallstangen mit Kugeln säumen die Balkone. Kenner sehen gleich: Hier waren Hinrich und Doris Baller am Werk.

Das Architekturbüro ist bekannt für seinen geschwungenen, extrovertierten Stil. Ihr rosa-türkiser Hof unterscheidet sich klar von den umliegenden Höfen. Nachts ist er hell erleuchtet – ein Kontrast zu den in ein Dämmerlicht getauchten Hackeschen Höfe. Und gegen den Paulinenhof mutet die bonbonfarbene Ladenpassage fast kitschig an. Der 2001 fertig sanierte Paulinenhof strahlt mit seinem Kopfsteinpflaster, den braunen Dachziegeln und Fensterrahmen eine eher dörflich-gemütliche Atmosphäre aus. Eine hölzerne Bank lädt zum Niederlassen und Entspannen ein. Auch die Mieter sind nicht ganz so Jet-Set-mäßig wie in den Rosenhöfen: Während in der Rosenthaler Straße Designer-Brillen, -Taschen und -Kleidung zu erstehen sind, hat in der Sophienstraße eine Maßschuhmeisterin ihren Laden bezogen, genau so wie ein Seifengeschäft und eine Galerie. Wo der Paulinenhof alternativ ist, sind die Rosenhöfe avantgardistisch. Beide zusammengenommen sind sie charakteristisch für die gesamte Gegend, wo sich Espresso-Bar und Blechspielzeugladen Tür an Tür liegen. Wo es Designer-Schuhläden und Boutiquen gibt, aber auch den Laden zur englischen Lebensart oder zur Erzgebirgskunst. Und Restaurants und Bars, in denen es szenig und hip zugeht. Frauen mit knielangem Rock und spitzen, hohen Lederstiefeln und Männer in Designer-Jeans oder gleich im Anzug bestimmen hier das Bild. Während die einen mit Genuss ihren Latte Macchiato schlürfen, sind andere nicht besonders begeistert über die Entwicklung der Gegend. „Mitch“ vom Plattenladen „melting point“ zum Beispiel findet die Gegend inzwischen „ziemlich grässlich“. Ketten würden die alteingesessenen Läden nach und nach verdrängen. „Am Schluss wird es so sein, dass hier nur noch Boutiquen und Schuhläden sind“, befürchtet Mitch. In seinem Plattenladen kann man sich mit elektronischer Musik eindecken. DJs kaufen hier ein und Touristen. Seit acht Jahren sitzt der „melting point“ in der Neuen Schönhauser. Doch das Ende naht: „In zwei Jahren spätestens müssen wir raus. Die Mieten sind ziemlich teuer geworden.“

Zu hohe Mieten haben die Betreiber in den Rosenhöfen zumindest nicht abgeschreckt. Mieter für das 5000-Quadratmeter-Objekt zu finden, sei überhaupt kein Problem gewesen, sagt David Prajs. Er hat für seinen Vater und Miteigentümer Suel Prajs die Vermarktung und Vermietung der Rosenhöfe übernommen. Zweite Eigentümerin ist Norma Drimmer, die gemeinsam mit Suel Prajs Berliner Gesellschaft für Haus- und Grundbesitzverwaltung „Berlin Haus“ leitet. Bei den Mietpreisen habe man es so gehalten: „Preise zur Verfügung zu stellen, die Mieter und Vermieter zufrieden stellen“, erklärt David Prajs. Er glaube nicht, dass es ihnen wie den elf Eigentümern der Hackeschen Höfe ergehen wird, denen das Geld aus der Miete nicht einmal für die Zahlung der Kreditzinsen reicht (der Tagesspiegel berichtete).

Bei der Sanierung des Gebäudes wurden zumindest keine Kosten gescheut, auch wenn es ein Geheimnis bleibt, wie viel die Besitzer investiert haben. Das Architekturbüro Baller erhielt für die Renovierungsarbeiten den Zuschlag, weil es mit seiner Bauweise dem Szene-Anspruch der Besitzer besonders nahe kommt: „Wir wollten eine emotionale Wirkung erzeugen“, erklärt David Prajs, der für seinen Vater die Vermarktung und Vermietung der Rosenhöfe übernommen hat. „Wir wollten etwas Neues in die Gegend bringen.“ Das mit Preisen dekorierte Architekturbüro ist jedoch umstritten. Frühere Kunden wie die Wohnungsbaugesellschaft GSW oder das Bezirksamt Schöneberg klagen über Baumängel an ihren Baller-Gebäuden. Der Architekt selbst weist die Kritik von sich: Das sei ihm angehängt worden. „Stararchitekten sind immer umstritten“, meint David Prajs zu der Auseinandersetzung. Passantin Susanne Schiebler gefällt der kitschige Baller-Stil: „Ich finde es süß. Irgendwie märchenschlossartig. Der Name Rosenhöfe passt“, ist der erste Eindruck der Studentin, die in Weimar Gestaltung studiert.

Viola Volland

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