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Schallwellen. Die Orchestermusiker müssen im Stadtbad nicht ins Wasser, die Sänger schon. Manche tauchen sogar ab – dann klingen die Melodien fremdartig . Foto: Davids

© DAVIDS

Berlin: Arien in Chlor und Moll

Das Stadtbad Neukölln lädt ab Sonntagabend zur Unterwasseroper. Die Zuschauer stehen am Beckenrand

Der sehnsüchtige Gesang der jungen Frau dringt über die Mikrofone aus dem Wasser und wird von der runden Decke und den Säulengängen zurückgeworfen. Die sphärischen Unterwasserklänge erinnern an Walgesänge, sie wirken fremd, geheimnisvoll und uralt, als erzählten sie vom Anbeginn der Welt. „Allein der Mensch strebt nach ewiger Jugend, Robben etwa leben nur im Hier und Jetzt“, sagt Claudia Herr. Sie ist die Initiatorin der Unterwasseroper „AquAria_Palaoa“, die den Gegensatz zwischen der Jugend der Menschheit und dem Alter der Welt thematisieren will und am Sonntagabend im Jugendstil-Ambiente des Stadtbads Neukölln uraufgeführt wird.

Herr spielt die junge Frau auf der Suche nach ewiger Jugend und Glück. Die ausgebildete Sängerin und Liebhaberin zeitgenössischer Musik war in ihrer Kindheit Leistungsschwimmerin. Tauchen gelernt hat sie allerdings erst für die Unterwasserpartie mit Sauerstoffflasche und Mundstück. „Man muss sich das Singen unter Wasser so vorstellen, als spreche man mit einem Korken im Mund“, erklärt die 40-Jährige ihre Technik. Solange man den stärkeren Wasserdruck beachte und beim Singen immer ausatme, sei eigentlich alles in Ordnung, so Herr. Rund zehn Jahre reifte ihre Idee, Unterwassergesang ins Zentrum einer Musikkomposition zu stellen, denn Herr hat ein Faible für solche außergewöhnlichen Projekte: Bei „TerrAria“ singt sie auf dem Friedhof, bei „FlammAria“ umringt von Feuer.

Die Unterwasseroper, zu der die Komponistin Susanne Stelzenbach Musik für Trompete, Tuba, Cello und Schlagwerk geschrieben hat, dauert genau 60 Minuten und wird erst nach dem regulären Schwimmbetrieb um 22 Uhr aufgeführt. Während der Aufführung können sich die Zuschauer in der Großen Schwimmhalle rund um das Becken und auf der Empore frei bewegen. Ein Zehntel der Aufführungszeit nehmen Herrs Unterwassergesänge ein. Sie sind in eine assoziative Handlungsstruktur rund um die „Alte Frau“ (Regina Jakobi), den „Schwertwal Schwermut“ (Anders Kamp) – der merkwürdigerweise viel an Land herumläuft – und zwei Robben-Chöre gebettet.

Doch Herrs Gesang und einige Cello- und Schlagzeug-Sequenzen sind nicht das Einzige, was aus dem Wasser steigt: Der Musik, die in Teilen vom Band kommt, sind auch Unterwasseraufnahmen der Palaoa-Horchstation des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung beigemischt. Dort werden 100 Meter unter dem Schelfeis Hydrofonaufnahmen unter anderem von den Klängen des Eises und dem Gesang der Weddellrobben gemacht. Am Tag der Uraufführung gibt es sogar eine Live-Telefonschaltung zur Basisstation in der Antarktis, bei der die dortigen Wissenschaftler berichten sollen, was sie tagtäglich im Südpolarmeer erforschen.

1., 7., 14. und 21. Mai, 15. und 16. Juni, 10. und 17. September. Einlass am 1. Mai ab 20 Uhr, sonst 20.30 Uhr. Ab 21.30 Uhr gibt es eine Einführung in die Oper, Beginn 22 Uhr. In der Ganghoferstraße 3. Tickets 20 Euro unter Telefon 01805 442 446 oder www.unterwasseroper.de.

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