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Indoor, outdoor. Die Art Miami Basel ist Treffpunkt für Popstars, Models und Sammler. Foto: Getty Images for Art Basel Miami

© Getty Images for Art Basel Miami

Art Basel Miami Beach: Großer Laufsteg

Teurer, schicker, schwerer: Auf der Art Basel Miami Beach spielt der Jetset die Kunst an die Wand.

Roten Teppich würden sie in Miami niemals nehmen. Das wäre viel zu eindeutig, die Situation würde sofort als Defilee gelesen. Stattdessen bildet schwarze Auslegware am Eingang zur Art Basel Miami Beach (ABMB) ein großes Rechteck. Eingefasst wird es zur Vip-Eröffnung von Fotografen und nervösen Blondinen mit schwankenden Mikrofonen in der Hand, die den Blick fest auf die Türen richten. Wann kommt P. Diddy? Ist Stella McCartney schon da? Oder wenigstens einer der reichen Sammler, für die hinter den Reporten genau das Richtige hängt: Bilder von Picasso und Miró, Mobiles von Alexander Calder oder eine Farbfeldmalerei von Mark Rothko für 30 Millionen Dollar. Die Galerien Landau (Montreal), Gmyrzynska (Zug) und Helly Nahmad (New York) haben all dies nach Florida gebracht. Es ist unschwer zu erraten, dass sich hier die älteste und teuerste Kunst der Messe versammelt.

Dennoch könnte man glatt immer wieder vergessen, um was es in diesen fünf Tagen im feuchtwarmen Miami eigentlich geht. Um die Arbeiten an den Wänden oder doch eher die Dessins jener Haute-Couture-Kleidchen, die durch die Kojen wehen? Um die Künstler oder den Jetset? Vergangenes Jahr hat der Berliner Künstler Anselm Reyle bewiesen, wie gut seine Patterns auf Handtaschen passen und exklusiv für Dior entworfen. Inzwischen scheint es kein Halten mehr zu geben; Chanel lädt zum BBQ ins Soho House, Marni und Louis Vuitton bitten vor der Messe zu exklusiven Partys. Der Fokus hat sich derart verschoben, dass man geradezu gerührt ist, wenn ein älteres Paar am Stand der Freeman Gallery einen kleinen „East Broadway Sketch“ entdeckt und ehrfürchtig vor der wunderbaren Farbzeichnung von 1958 verharrt – vielleicht aber auch, weil die Galerie aus New York 625000 Dollar für die winzige Arbeit von Frank Stella verlangt.

Es gibt noch mehr zu entdecken. Die 19 Berliner Galerien und ihr Kollegen aus Köln oder Düsseldorf zeigen spannende, vielfach sperrige und häufig junge Positionen. Ebenfalls bei Freeman findet man „Vier Quader“ von Franz Erhard Walther (95 000 Dollar): textile, abstrakte Kunst, die in Miami vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. In den Kabinetten der New Yorker Galerie Naumann tummeln sich neben Champions wie Marcel Duchamp auch Künstlerinnen derselben Epoche. Unter ihnen Beatrice Wood, deren späte Keramiken ab 26 000 Dollar zu haben sind und die aussehen, als wären Jugendstil und achtziger Jahre miteinander verschmolzen.

Contemporary Fine Arts (Berlin) haben statt Reyle diesmal Gemälde von Gerd und Uwe Tobias (32 000 bis 35 000 Euro) mitgebracht, auf denen die Zwillinge alte Kupferstiche aus Dresden neu interpretieren – und unverzüglich an zwei Sammler aus Miami verkauft. Die Schweizer Galerie Hauser & Wirth konnte schon am Eröffnungstag einen roten Punkt an ihre Arbeit „Untitled“ von Roni Horn für 850 000 Dollar kleben, die Galerie Thomas aus München gab Fernand Légers Gemälde „Les deux femmes à l’oiseau“ für 1,6 Millionen Dollar ab. Auch Sprüth Magers (Berlin) hat das Überformat „Bangkok VI“ von Andreas Gursky für 400 000 Euro verkauft, wird die Fotografie aber wohl erst einmal wieder mitnehmen, weil ihr Käufer, ein europäischer Sammler, sie unmöglich allein nach Hause bringen kann.

Es reizen aber nicht nur die großen Formate. Bei Kicken aus Berlin etwa begeistern sich drei amerikanische Sammlerinnen für die „Horse“-Serie (Ed. 8) von Jitka Hanzlova. Die tschechische Fotografin hat so poetische wie eigenwillige Aufnahmen von Pferden gemacht, von denen man nur die Nüstern oder den Urinstrahl sieht. Im „Art Position“-Sektor, wo die Galerien Einzelkünstler präsentieren, lassen sich die Vip-Besucher Felipe Arturos Skulpturen erklären, der Beton mit vertrackten Wortspielen verbindet. Auf Interesse stoßen seine Betonwellen (17 000 Dollar), doch das Gewicht der Bodenskulptur lässt potenzielle Käufer zaudern: Anderthalb Tonnen überfordern doch so manche heimische Deckenkonstruktion.

Dann vielleicht lieber die wundersame Bilderserie über ein imaginiertes Miami von Ivan Seal, die bei Raeber von Stenglin (Zürich) hängt und die auch einzeln für 5000 bis 7000 Dollar zu erwerben sind. Oder ein schwebendes Bild von Nathan Peter bei der Berliner Galerie PSM: Der Künstler hat Leinwände zerfleddert und die Fäden anschließend sorgsam gekämmt, um sie wie lange Haare in der Koje aufzuhängen. Der gelbe Saum der ehemaligen Bildgründe windet sich ebenfalls durch den Raum und erinnert an Zitronenschalen auf alten Stillleben.

Neben der ABMB konkurrieren 25 Messen in Miami Beach und auf dem Festland miteinander. Der Landesverband Berliner Galerien konnte einige Teilnehmer zu besonderen Konditionen auf der neuen Context-Art-Messe unterbringen. Insgesamt sind tausend Galerien präsent, die selbst noch aus Bangladesch anreisen. Hinzu kommen Familien wie die Rubells oder de la Cruz’, die zum Messeauftakt ihre privaten Sammlungen neu hängen. Kunst hat der Stadt in den vergangenen Jahren ein anderes Gesicht verliehen. Tom Wolfe bringt es auf den Punkt in seinem neuen, vom Kunstbetrieb gescholtenen Roman „Back to Blood“, auch wenn er darin Miamis neuen Status überzeichnet. Wie zu seiner Bestätigung steht im Skulpturengarten der Rubells zwischen Ikonen der Moderne ein Bugatti, gestylt vom französischen Künstler Bernar Venet. Drumherum dürften die Gäste der Preview gestanden haben, vielleicht sogar mit den von Reyle gestalteten „last season“-Handtaschen behängt, um sich anschließend in eines der teuren Restaurants von Miami Beach zu begeben, wo längst überall zeitgenössische Kunst hängt.

Kunst hat die Stadt verändert, aber es ist auch umgekehrt: Das Publikum in Miami erzwingt ihre Transformation zum Spektakel. Während ein ABMB-Sponsor wie Absolut Vodka nach langer Abwesenheit wieder präsent ist mit einer transparenten Strandbar des kubanischen Designerduos Los Carpinteros, treiben es Miamis Immobilienentwickler gerade auf die Spitze: Jede noch so spießige Luxusimmobilie wird mit Bezug zur Kunst beworben. Sie hat Miami boomen lassen und ist nun Spielzeug für eine kapriziöse Szene, die immer neue Impulse braucht. So mancher fragt sich bang, was in den nächsten Wintern eigentlich noch kommen soll.

Art Basel Miami Beach, Informationen: www.miamibeach.artbasel.com

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