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© Uwe Steinert

Arthur Walb: Der Beinahe-Attentäter

Als Funker im Zweiten Weltkrieg plante der Maler Arthur Walb mit Kameraden einen Anschlag auf Hitler. Fast wären sie Stauffenberg zuvorgekommen.

Die Sache ist ihm nie aus dem Kopf gegangen, auch nicht nach 63 Jahren. Aber jedesmal im Juli sind die Gedanken an das Ereignis noch intensiver, denn „wenn unser Plan aufgegangen wäre, säße ich jetzt nicht hier, und vielen Menschen wären Tod und Leid erspart geblieben“. Das sagt Arthur Walb. Der vor 87 Jahren in Köln geborene Maler und Bildhauer, der sich Art.uro nennt, in West-Berlin wegen seiner Künste im Umgang mit dem Werkstoff Metall als „Eisenpapst“ bekannt war und den es sofort nach dem Mauerfall in den Osten zog, hätte, gemeinsam mit vier Kameraden, beinah Weltgeschichte geschrieben. Damals, am 4. Juli 1944, früh um neun Uhr, in Rastenburg in Ostpreußen: Unteroffizier Walb war Funker und flog mit vier Kameraden – Schütze Hillebrandt, Beobachter Lindner, Pilot Stettinger und Mechaniker Specht – auf einer „He 111“. „Es war ein heißer Sommertag. Wir waren übermüdet, ausgelaugt, verschwitzt. Wir hatten Warschau brennen sehen, Feuersäulen stiegen über zerstörte Dörfer, 300 zählte ich in einer Nacht im Baltikum, mein Zuhause in Köln war zu Staub geworden, und Herbert, der Schütze, hatte beim letzten Angriff seine Freundin verloren. Wir hassten diesen Krieg. Und diesen Hitler, den wir ,Bluthund’ nannten.“

In dieser Verfassung landeten sie in Rastenburg, obwohl die Erlaubnis dazu verweigert wurde. Und bald erfuhren sie auch, warum: Der Führer war im Anflug. „Wir hatten nichts eingeübt, waren keine Verschwörer, keine Gruppe von Offizieren mit Einblick und Überblick – uns trieb ausschließlich das Gewissen. Dies war der Augenblick, der Fingerzeig: Wir würden schießen. Sofort. Mit der 2-cm-Kanone vorn in der Kanzel, mit dem Zwillings-MG und mit meinem schweren MG im drehbaren Gefechtsturm. Wir legten Ersatzmunition bereit. Ich war klatschnass, aber ruhig. Kein Wort mehr. Wenn er auf der Leiter aus seiner ,Condor’ stieg, würden wir ihn treffen. Und dann würden sie uns zusammenschießen. Nein, das würden wir nicht überleben. Und so gaben wir uns die Hand, verabschiedeten uns, auf Wiedersehn auf Wolke Sieben – ach, Vater, das musste nun sein. Der Eid auf den Tyrannen zählte nicht, das wussten schon die alten Griechen.“

Dann kommt alles ganz anders. „Bevor Hitler landet, soll unsere Maschine zirka 100 Meter von der Stelle, wo der Diktator aus dem Flugzeug steigt, wegrollen, und als sie es nicht tut, weil wir eine Panne vortäuschen, wird sie von einem Traktor abgeschleppt. Wir stehen wie erstarrt. Ohne die Waffen. Und da steigt er auch schon aus seiner Maschine, der Diktator. Elf Tage später entkommt er dem Attentat Stauffenbergs, „aber um ein Haar wäre es schon früher passiert, spontan und planlos“, sagt Bordfunker Walb, der heutige Arturo, in seiner Wohnung voller Kunst Unter den Linden. Von seinen Mitverschworenen lebt keiner mehr, er steckt voller Pläne. Arturo ist ein Original im besten Sinne, ein unterhaltsamer Mensch voller Geschichten, mit Stoppelbart und Strohhut. Auf seinem Anrufbeantworter teilt er mit, dass er beschlossen hat, noch mindestens drei Jahre weiter zu machen. Und auch im nächsten Juli wird er sich erinnern: An Hitler, die He 111 und sein Maschinengewehr. Es blieb stumm, und Arturo malt weiter seine Bilder – bis er neunzig ist. Lothar Heinke

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