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Asbestfasern können tödlich sein, wenn sie in die Lunge gelangen.

© dpa

Asbest-Fasern in Wohnungen: Die Gefahr lauert im Fußboden

Fast 50 000 städtische Wohnungen sind mit den krebserregenden Fasern belastet. Die Sanierung würde 430 Millionen Euro kosten. Mieter klagen auf Schadensersatz, aber der Verband der Wohnungsunternehmen wiegelt ab.

Zehntausende Berliner Mieter laufen täglich über Asbest. Und viele wissen gar nichts davon, dachten, der krebserregende Stoff sei längst Geschichte, aber der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) hat jetzt alarmierende Zahlen erhoben: Rund 48000 Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind mit asbesthaltigen Bodenplatten ausgestattet. Eine Sanierung würde mindestens 430 Millionen Euro kosten.

Wie es in den weitaus größeren privaten Wohnungsbeständen aussieht, ist völlig unklar. Andreas Otto, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, fordert den Senat auf, sich einen „Überblick über das Problem“ zu verschaffen, betroffene Gebäude zu kennzeichnen und einen „Sanierungsfahrplan“ zu entwerfen. Bei einer Anhörung im Bauausschuss warfen die Grünen den städtischen Wohnungsbaugesellschaften eine „jahrelange Desinformation“ der Mieter vor.

Von 1960 bis Anfang der 90er Jahre wurden sogenannte Vinyl-Asbest-Platten verbaut. Betroffen sind Altbauten, die damals saniert wurden, aber vor allem neu gebaute Häuser. Im fraglichen Zeitraum seien in Berlin 425 000 Wohnungen neu gebaut worden, erklärte BBU-Experte Siegfried Rehberg. Wohnungen im Ostteil der Stadt seien nicht betroffen. Die Asbestplatten sind von PVC- oder Linoleumfliesen kaum zu unterscheiden. Sind sie intakt, können keine Asbestfasern in die Raumluft gelangen. Gefährlich wird es, wenn Platten brechen oder angebohrt werden. Die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag arbeitet an einem Kataster zu asbestbelasteten Wohnungen. Nach aktuellen Schätzungen sind von den 54 000 Gewobag-Wohnungen 14 000 betroffen, sagte Rehberg. Alle Mieter seien inzwischen auf die Gefahren hingewiesen worden. Etwaige Schäden würden von zertifizierten Handwerksfirmen beseitigt.

"Du bist ein Vollidiot"

Rehberg verteidigte die Asbestplatten als „ganz hervorragenden Baustoff“, von dem keine Gefahr ausgehe. Selbst nach Reparaturarbeiten an den Platten sei die Belastung mit Asbestfasern in der Raumluft unbedenklich. Für seine Ausführungen handelte sich Rehberg einen empörten Zwischenruf aus den Reihen der Mieter ein, die als Gäste den Ausschuss verfolgten: „Du bist ein Vollidiot“.

Rechtsanwalt Sven Leistikow, der 30 betroffene Mieter vertritt, erklärte dagegen, schon von einer einzigen Asbestfaser gehe eine tödliche Gefahr aus. Das habe das Landgericht in einem Urteil gegen die Gewobag auch so bestätigt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Leistikow sieht eine Welle von Schadensersatzforderungen auf die Vermieter zurollen. Im Einzelfall könnten bis zu 50 000 Euro verlangt werden. Bei der Vielzahl betroffener Haushalte sei in Berlin eine Gesamtsumme von 100 Millionen Euro denkbar.

Am Rand der Anhörung erzählte eine Gewobag-Mieterin, dass ihre Hausverwaltung noch vor sieben Jahren Eigenleistungen bei der Bodensanierung empfohlen habe. Dabei war das Asbestproblem spätestens seit dem Jahr 2000 bekannt. Damals wurden erstmals Zahlen zu asbestverseuchten Wohnungen erhoben. Eine Stellungnahme der Gewobag liegt der Redaktion bisher nicht vor.

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