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Lange Schlangen. Auch am Dienstag waren wieder hunderte Flüchtlinge auf dem Gelände des Lageso.

© Tobias Schwarz/AFP

Asylbewerber in Berlin: Mitte und Pankow kritisieren Flüchtlingskonzept des Senats

Der Bezirksbürgermeister von Mitte wirft Sozialsenator Mario Czaja Entscheidungsschwäche vor. Dessen Sprecherin zeigt sich verwundert.

Wegen der nach wie vor chaotischen Zustände an der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Moabiter Turmstraße hat der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), am Dienstag scharfe Kritik an Sozialsenator Mario Czaja (CDU) geübt. „Übernehmen Sie endlich politische Verantwortung und entscheiden Sie“, schrieb Hanke in einem offenen Brief. Er warf Czaja vor, an Sitzungen des Krisenstabes nicht teilzunehmen. Dies führe dazu, dass keine Entscheidungen getroffen werden könnten. Zuletzt sei dies am Montag der Fall gewesen. „So verlieren wir Zeit, gefährden Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, und verlieren das Vertrauen der Berliner in ihre Stadtverwaltung“, schreibt Hanke. Der Bezirksbürgermeister fordert unter anderem bessere medizinische Versorgungseinrichtungen, eine Grundversorgung mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln für die Flüchtlinge, einen 24-Stunden-Ansprechservice mit einem Shuttle-Dienst am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) an der Turmstraße.

Regina Kneiding, Sprecherin des Sozialsenators, zeigte sich verwundert über Hankes Vorwürfe. „Der Senator nimmt regelmäßig und so häufig wie möglich an den Besprechungen teil“, sagte Kneiding. Und bei der stets am Mittwoch tagenden großen Runde sei er immer dabei, so werde es auch heute sein. Am Montag sei Czaja in der Tat verhindert gewesen, sagte Kneiding: „An dem Tag hat er in einer Koalitionsrunde auf Fragen der SPD-Abgeordneten zum Haushalt Rede und Antwort gestanden.“ Vor zwei Wochen hatte der Senat die Einsetzung eines Koordinierungsstabes beschlossen.

Die Situation habe sich deutlich gebessert, sagt die Sprecherin

Auch inhaltlich hält Kneiding die Kritik für ungerechtfertigt: „Vieles ist inzwischen beschlossen und auf den Weg gebracht worden.“ Die Situation habe sich bereits deutlich verbessert, beispielsweise bei der medizinischen Versorgung. Das Mobil der Johanniter mit einem Arzt und zwei Sanitätern stehe an einem besseren Platz. Unterdessen sind auch Aufrufe von Ärztekammer und dem Marburger Bund auf große Resonanz gestoßen: Viele Ärzte haben angeboten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das Lageso koordiniert die Einsätze.

Eine Entscheidung über Tempelhof ist noch nicht gefallen

Auf dem Gelände an der Turmstraße hat nach Kneidings Angaben die Caritas das Platzmanagement übernommen. Die mobilen Toiletten sind abgebaut, stattdessen können die Einrichtungen in den Gebäuden genutzt werden. Noch bis zum Wochenende gibt es für die Flüchtlinge auf dem Lageso-Gelände eine Versorgung über einen privaten Caterer. Eine Nachfolgelösung muss noch gefunden werden. Ebenso ist noch keine Entscheidung darüber gefallen, wie weit die Gebäude am alten Flughafen Tempelhof und am Fehrbelliner Platz in Wilmersdorf für Einrichtungen des Lageso geeignet sind. Für Mittes Bezirksbürgermeister Hanke ist klar, dass es dabei nicht um Wochen gehen kann, sondern sofort entschieden werden muss. Er habe erwartet, dass man bereits am Montag einen Beschluss zu Tempelhof gefasst hätte, die dortigen Hangars zur Unterbringung von noch nicht registrierten Flüchtlingen zu nutzen. „Es geht um die Vermeidung von Obdachlosigkeit“, sagt Hanke.

Kritik kommt auch aus Pankow

Kritik kommt auch aus Pankow. Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) sagte, Vorwürfe des Senats gegenüber den Bezirken, dass diese bei der Suche nach Immobilien und Grundstücken mauerten, gingen ins Leere. „Wenn wir irgendwelche schnell akquirierbaren Unterkünfte hätten, hätten wir diese längst akquiriert“, sagt Zürn-Kasztantowicz. Auch die Bezirke hätten die Verpflichtung, Flüchtlinge unterzubringen – jene mit einer Duldung etwa oder sogenannte Kontingentflüchtlinge. Der Senat wiederum muss die Neuankömmlinge und Flüchtlinge im Asylverfahren versorgen. „Der Senat saugt wie ein großer Staubsauger alle Kapazitäten ab, und wir stehen mit leeren Händen da“, sagt die Bezirkspolitikerin. Es sei völlig unsinnig, „wenn wir uns gegenseitig Konkurrenz machen“. Aber dies lasse das derzeitige Konzept völlig außer Acht. Viel sinnvoller sei es, Bezirks- und Senatsverpflichtungen gegenüber den Flüchtlingen gemeinsam zu betrachten, „statt sich gegenseitig zu beschuldigen und den Schwarzen Peter zuzuschieben“.

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