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Berlin: „Auch im Jahre 2010 wird die Charité vier Standorte haben“

Detlev Ganten, neuer Vorstandschef der Berliner Hochschulmedizin, möchte Alternativen Heilmethoden eine Heimstatt geben, Entlassungen vermeiden und eine gemeinsame Identität aller Beschäftigten

Der neue Vorstandsvorsitzende der unter dem Namen Charité fusionierten Berliner Hochschulmedizin ist gefunden. Gestern unterzeichnete Detlev Ganten, bisher Chef des MaxDelbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin-Buch, bei Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) seinen Fünf-Jahres-Vertrag. Ganten übernimmt sein Amt zum 16. Februar. Er hat nun die Aufgabe, die im vergangenen Jahr zusammengeführten vier Standorte Charité in Mitte, Virchow-Klinikum in Wedding, BenjaminFranklin-Klinikum in Steglitz und RobertRössle-Klinik in Buch auch inhaltlich zu vereinen, ihnen eine zukunftsfähige Struktur zu geben und den Landes-Zuschuss für Forschung und Lehre bis 2010 um 98 Millionen Euro zu senken.

Herr Professor Ganten, wie wird die Charité im Jahre 2010 aussehen?

Sie wird dann 300 Jahre alt sein und in voller Blüte erstrahlen. Ich sage voraus, dass es dann noch immer vier Standorte der Berliner Hochschulmedizin geben wird. Und sie wird als eine der besten medizinische Fakultät der Bundesrepublik dastehen.

Die Gutachten zur Zukunft der Hochschulmedizin empfehlen, Standorte aus der Charité herauszulösen beziehungsweise zu schließen.

Wenn in allen Bereichen ein guter Wille besteht, die Schwerpunkte sinnvoll zu verteilen und miteinander zu kooperieren, dann kann man mit vier Standorten weiterarbeiten. Kostensenkung und bessere Wirtschaftlichkeit lassen sich auch auf andere Weise erreichen

Derzeit beschäftigt die Charité 15 000 Mitarbeiter – stehen Entlassungen bevor?

Ich denke, dass die medizinische Versorgung und die Forschung nicht schrumpfen, sondern ausgebaut werden. Es kann aber sein, dass völlig neue Arbeitsfelder entstehen oder Mitarbeiter in ausgegründeten Firmen weiterarbeiten. Ich fordere von den Beschäftigten persönliche Mobilität .

Welche neuen Schwerpunkte sollte es in der Berliner Hochschulmedizin geben?

Wissenschaftliche Schwerpunkte entstehen nicht durch Verordnung, sondern durch Wettbewerb der besten. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass an der Charité ganz neue Schwerpunkte für alternative Heilmethoden entstehen. Ich bin zwar klassischer Schulmediziner, aber die stößt manchmal an ihre Grenzen. Es würde mich freuen, wenn zum Beispiel die traditionelle chinesische Medizin oder die Methoden eines Pfarrers Kneipp hier eine Heimstatt fänden.

Wie wollen sie den Teilen der fusionierten Charité eine gemeinsame Identität geben?

Der berühmte Name Charité und ihre großartige Tradition sind dabei wichtige Elemente. Ebenso wie die großen Kliniker und Wissenschaftler, die hier in den letzten 300 Jahren wirkten, zum Beispiel Rudolf Virchow – Leitbilder der ärztlichen und gesellschaftlichen Tradition. Eine gemeinsame Identität aufzubauen, das ist natürlich eine langer Prozess. Aber ich habe jetzt schon das Gefühl, dass sich alle Mitarbeiter hinter dem Namen Charité geschart haben. Die meisten sind über die Fusion froh und darüber, dass sie jetzt für eine gemeinsame Zukunft arbeiten.

Der Charité-Aufsichtsrat hat Sie nicht einstimmig gewählt. Mancher glaubt, dass Sie Charité-Teile privatisieren wollen. Ist das so?

Wir haben im Max-Delbrück-Centrum Erfahrungen mit der Kooperation mit einem privaten Klinikbetreiber gemacht, dem Helios-Konzern. Diese Erfahrungen waren alles andere als abschreckend. Der Helios-Konzern baut jetzt in Buch eine der modernsten Kliniken Berlins und nimmt dabei enorme Rücksicht auf die Kooperationsbedürfnisse der Grundlagenforschung. Deshalb hätte ich auch keine Probleme mit der Privatisierung der Krankenversorgung der Charité. Ein privater Betreiber muss aber nicht zwangsläufig besser sein. Im Moment sehe ich aber auch keinen Handlungsbedarf.

Laut einem Konzept der Senatswissenschaftsverwaltung könnte der Bereich der Krankenversorgung in der Charité von dem Bereich Forschung und Lehre rechtlich abgekoppelt werden. Was halten Sie davon?

Die Krankenversorgung ist ein großer wirtschaftlicher Bereich, in dem jährlich fast 700 Millionen Euro umgesetzt werden, und in dem ganz andere Gesetze der Finanzierung und der Abläufe gelten, als in der Forschung. Ich plädiere deshalb für eine klare wirtschaftliche Trennung beider Bereiche, bei einer maximalen Integration. Denn natürlich ist es für ein Universitätsklinikum, in dem geforscht wird und Mediziner ausgebildet werden, enorm wichtig, so eng wie möglich an den Klinikbetrieb angebunden zu sein. Der Vorstand muss also in beide Bereiche inhaltlich und wirtschaftlich einwirken können – ein integratives Kooperationsmodell.

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