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Berlin: Auch Mahnmal auf der Putlitzbrücke und evangelischer Friedhof in Friedrichshain Opfer "des blindwütigen Vandalismus"

Die Berliner Polizei ermittelt seit gestern in drei Fällen von Friedhofs- und Mahnmalschändungen: Auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee haben unbekannte Täter 103 Grabsteine umgestürzt. Das jüdische Mahnmal auf der Putlitzbrücke (Tiergarten) wurde mit Hakenkreuzen beschmiert.

Die Berliner Polizei ermittelt seit gestern in drei Fällen von Friedhofs- und Mahnmalschändungen: Auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee haben unbekannte Täter 103 Grabsteine umgestürzt. Das jüdische Mahnmal auf der Putlitzbrücke (Tiergarten) wurde mit Hakenkreuzen beschmiert. Auf dem Evangelischen Friedhof an der Boxhagener Straße in Friedrichshain wurden 26 Gräber beschädigt. Außerdem

Die Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee seien offenbar "in einem blindwütigen Akt von Vandalismus" umgestoßen worden, sagte Berlins Innensenator Eckart Werthebach am Montagnachmittag am Tatort. Es gebe bislang keinerlei konkrete Hinweise auf den oder die Täter; weder Schmierereien noch ein Bekennerschreiben, die auf eine politische Motivation der Tat schließen lassen würden. Vorsorglich sei jedoch der Staatsschutz in die Ermittlungen eingeschaltet worden. Berlins Polizeipräsident Hagen Saberschinsky kündigte an, dass das "ganze Feld" der in Frage kommenden Täterkreise durch die Ermittlungsarbeit "aufgerollt" werde. Die Spuren der Täter - "vermutete Übertrittsstellen" über die Friedhofsaußenmauer und Fußabdrücke auf einzelnen Grabstellen - wurden noch am Montagnachmittag von einem halben Dutzend Beamten gesichert.

Andreas Nachama, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, besuchte gemeinsam mit dem Innensenator und dem Polizeipräsidenten das Areal mit den zerstörten Grabstätten. Manche der Steine wurden auf die Grabplatten gekippt, andere nach hinten auf das Erdreich. Einige der Steine sind zerborsten. Auf anderen Gräbern ist lediglich der Blumenschmuck verwüstet. Gedenksteinchen, die Trauernde auf Grabmale gelegt hatten, wurden heruntergefegt. Nachama rief die Berliner Bevölkerung zu verstärkter Wachsamkeit und zu Zivilcourage gegenüber solchen "Akten des Vandalismus" auf und verwies auf die Tragweite der Schändung. Viele der 103 Grabsteine aus den Jahren des Zweiten Weltkrieges bis in die jüngste Zeit seien irreparabel zerstört worden. Es gebe Hinterbliebene, die jeden Sonntag nach Weißensee kämen. "Ich stehe jetzt vor der schweren Aufgabe, diese Menschen zu benachrichtigen", sagte Nachama. Aus der Auswahl der Gräber könne nicht auf eine Motivation der Täter geschlossen werden. Ruhestätten von Prominenten seien nicht beschädigt worden.

Der Friedhof Weißensee gilt als der größte jüdische Friedhof Europas. Er wurde 1880 eröffnet und hat heute 110 000 Gräber auf 43 Hektar Fläche. Die großräumige Gräberschändung im Nordwesten des Geländes hatten Friedhofsmitarbeiter am Montagvormittag entdeckt. Da aber der Weißenseer Friedhof seit Freitagmittag geschlossen war, könne die Tatzeit nicht näher bestimmt werden, sagte Innensenator Werthebach. Er werde zwar im Zuge der Schutzmaßnahmen für Jüdische Einrichtungen regelmäßig vom polizeilichen Objektschutz angefahren, aber es sei unmöglich, ein so großes Areal "in Gänze zu schützen".

Einen Zusammenhang mit dem am 29. September vergangenen Jahres verübten Anschlag auf das Grab des ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Heinz Galinski, wollte Werthebach auf Nachfrage ebenso nicht ausschließen wie Zusammenhänge mit den bevorstehenden Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Die Grabplatte der Ruhestätte Galinskis auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße (Charlottenburg) war vor einem Jahr mit einem Sprengsatz zerstört worden. Auch damals gab es kein Bekennerschreiben. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt; im Mai dieses Jahres wurden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Wiederhergestellt und wiedereingeweiht wurde die Grabstätte im Februar dieses Jahres.

Alarmiert vom Weißenseer Anschlag zeigte sich Eugene DuBow, Direktor des Berliner Büros des American Jewish Committee: "Wir sind außerordentlich besorgt, dass so etwas in Berlin passieren kann. Wir hoffen, dass es keinen Zusammenhang mit dem Wahlerfolg der Rechten in Österreich gibt, denn so etwas ist wie ein Virus."

Am Jüdischen Mahnmal auf der Putlitzbrücke entdeckte eine Streife des Objektschutzes der Polizei in der Nacht zu gestern Hakenkreuzschmierereien. Sie waren mit grauer Lackfarbe aufgesprüht worden. Die Polizei ließ die Schmierereien sofort entfernen, teilte ein Sprecher mit.

Das Mahnmal war in der Vergangenheit bereits mehrfach Ziel von rechtsextremen Anschlägen. Zwischen 1989 und 1991 legten unbekannte Täter dort drei Mal Schweinekopfhälften ab. In der Nacht zum 20. April 1992 (Adolf Hitlers Geburtstag) schleuderte ein Mann Fäkalien gegen das Mahnmal. Der Täter wurde festgenommen. Das Mahnmal erinnert an die Berliner Juden, die von 1941 bis 1944 vom Bahnhof Putlitzstraße aus in die Vernichtungslager deportiert wurden.

Auch im Fall der Schändung des evangelischen Friedhofs in Friedrichshain hat die Polizei bislang noch keinen Hinweis auf den oder die Täter.

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