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Audiotour: Schüler hören, wo Geschichte spielt

Aus manchen Kopfhörern von Jugendlichen kommt demnächst vielleicht nicht nur Musik, sondern auch Zeitgeschichte: Das Projekt Hörpol ist gestern online gegangen. Jugendliche können sich dort 27 Audiodateien aus dem Netz laden, die kleine Geschichten erzählen – und dabei einmal quer durch die Spandauer Vorstadt führen.

Bei einem Bummel mit dem Stadtplan in der Hand kommen Zeitzeugen zu Wort und erzählen Großeltern und Enkel von ihrem Alltag von der Nazizeit bis in die Gegenwart. Die Stationen heißen „Sterne“, „Alltag“ oder „Anpinkeln“, es geht um Rassismus und Ausgrenzung, damals und heute; die Audiodateien können heruntergeladen und gehört werden, während man auf der Wiese oder im Cafe sitzt.

„Ich wollte eine andere Art der Geschichtsvermittlung ausprobieren, als Jugendliche immer nur durchs Museum zu schicken“, sagt der Autor Hans Ferenz, der das Projekt auf die Beine gestellt hat. Sieben Jahre hat er recherchiert, Unterstützer wie den Haupstadtkulturfonds gefunden und fast zehn Monate im Tonstudio gearbeitet, um die Audiostücke zwischen zwei und acht Minuten zu produzieren. Mehr als 120 Menschen haben bei Hörpol mitgemacht, darunter Zeitzeugen wie der jüdische Jazzmusiker Coco Schumann, Schauspieler Axel Prahl oder ZDF-Moderatorin Marietta Slomka. Und natürlich Schüler – für sie ist das Ganze schließlich gedacht.

Die Elftklässler Désirée Dargel, Jenny Gölze und Vincent Robin von der Spandauer Martin-Buber-Oberschule etwa haben die Station „Anpinkeln“ eingesprochen. Die erzählt davon, wie Nazis auf einen Berliner Juden urinierten – und wie Neonazis ihre Opfer auf ähnliche Art quälten. „Viele denken, dass Rassismus heute nicht mehr aktuell ist“, sagt die 17-jährige Désirée Dargel. Darauf mit dem Projekt aufmerksam zu machen, sei eine „coole Aktion“. Es sei anders als normaler Unterricht und schon allein deshalb ziemlich interessant.

Interessant fanden das Projekt auch die beiden Hip-Hopper „Zeugen der Zeit“ und die Kantorin Avitall Gerstetter, die zusammen rappen und singen. Ihm habe sehr gefallen, sagt Hip-Hopper Madog, dass Geschichte nicht anhand großer politischer Ereignisse, sondern aus der alltäglichen Perspektive erzählt werde.

Bis auf ihre eigenen Stationen kennen die Rapper und die beteiligten Schüler die gesamte Tour noch nicht. „Ich bin gespannt auf den Rest“, sagt die Elftklässlerin Désirée – sie will sich die Dateien demnächst herunterladen. Zum Glück müsse man nicht streng nach Plan laufen, sondern könne selbst entscheiden, wo es langgeht. Das gelte, so heißt es auf dem kleinen Stadtplan von Hörpol, sowohl für die Audiotour als auch für den Umgang mit Rassismus.

www.hoerpol.de

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