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Berlin: Auf Bowies Spuren

Gerade hat sich mein kleiner Cousin Marc aus der westdeutschen Provinz für seinen allerersten Berlinbesuch angekündigt. Ich dachte natürlich, er wollte meine Kenntnisse über das Berliner Nachtleben nutzen und geheime Tipps in Anspruch nehmen, aber weit gefehlt.

Gerade hat sich mein kleiner Cousin Marc aus der westdeutschen Provinz für seinen allerersten Berlinbesuch angekündigt. Ich dachte natürlich, er wollte meine Kenntnisse über das Berliner Nachtleben nutzen und geheime Tipps in Anspruch nehmen, aber weit gefehlt. Die einzige Frage war, ob ich wisse, wo denn das Linientreu sei. Ach was, das gibt es immer noch? Ich war zum ersten und letzten Mal kurz nach dem Mauerfall dort – lustigerweise eben auch während meines ersten Berlinbesuchs. In Bremen kursierte damals das Gerücht, dass sich im Schwarzen Café und im Linientreu das Nachtleben rund um Dark Wave und Independent abspielen würde, und dass David Bowie und Martin Gore von Depeche Mode während ihrer Berliner Jahre hier öfters abhingen.

Tatsächlich befindet sich der Club immer noch an Ort und Stelle in der Budapester Straße. Seit mehr als 25 Jahren, im Auf und Ab der Trends wie ein Fels in der Brandung – wie der Name es auch irgendwie evoziert. Das Linientreu war in den 80ern die Hochburg für Dark Wave, EBM, Gothic und Synthie Pop. In den 90ern wurde es zu einem Technoclub, 2002 war es kurz geschlossen, um dann wieder als 80er-Jahre-Club aufzumachen. Heute finden hier regelmäßige Depeche-Mode-, Böhse-Onkelz- oder EBM-Partys immer neues, nachwachsendes Publikum. Ob die Gäste heute noch genauso aussehen wie früher? In Schwarz gekleidet, mit Kajal, DocMartens und mit Edding bekritzelten Army-Rucksäcken? Außerdem frage ich mich, ob mein kleiner Cousin sich wohl in der gleichen postpubertären Depression befindet wie ich damals bei meinem Besuch. Falls ja, könnte ich ihn vielleicht auch für einen Besuch der Melancholie-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie gewinnen? Die geht am kommenden Sonntag zu Ende, und am Freitag findet der letzte „Salon Noir“ statt. Ich verschweige ihm einfach, dass dort an diesem Abend kein Dark Wave, sondern finnischer Tango gespielt wird.

Fr, 5.5. ab 22 Uhr „Salon Noir“ DJ HenNing (finnischer Tango), in der Neuen Nationalgalerie, Kulturforum Potsdamer Platz, Eintritt 5 Euro, Sa, 6.5. ab 22 Uhr „Treu-Night“ im Linientreu, Budapester Straße 42, Eintritt 6 Euro

Christine Lang

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