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Gib mir ein Zeichen. Janine Kersten winkt als „Marshaller“ mit ihren Leuchtstablampen auf und ab. Je schneller, desto mehr Schub gibt der Pilot geradeaus in Richtung der Parkposition vorm Tegeler Terminal C. Längere Maschinen dürfen weiter vor. Alles, was touchiert oder eingesaugt werden könnte, musste vorher weg. Fotos: Georg Moritz

© Georg Moritz

Auf dem Flughafen-Rollfeld: Die Dirigenten vom Flughafen Tegel

Noch nie war am Flughafen Tegel so viel los wie heute – gar nicht so leicht, dort den Überblick zu behalten. Menschen wie Janine Kersten zeigen den Piloten, wo es langgeht auf dem vollen Rollfeld.

Janine Kersten setzt die Ohrenschützer auf und nimmt Haltung an. Die abgepolsterten Sicherheitsschuhe stellt sie fest auf den Vorfeldboden. Ihre neonfarbene Jacke strahlt so intensiv wie die Leuchtstäbe in ihren Händen. „BER“ steht hinten auf ihrer Arbeitsjacke, aber Kersten sorgt erst mal in TXL für Ordnung beim Flugbetrieb – heute als Einweiserin der Maschinen am Terminal C. Dort, wo jetzt noch mehr los ist als sonst und möglicherweise sogar ausgebaut werden soll. Das Turbinendröhnen wird lauter, die Maschine mit mehr als hundert Passagieren aus Paris-Orly kommt näher. Kersten streckt den rechten Unterarm im 90-Grad-Winkel vom Körper weg, für den Piloten das Zeichen: Ich muss eine Linkskurve einlenken. Mit dem linken Unterarm winkt die kleine Person vor dem Riesenflieger jetzt auf und ab. Pilot und Kopilot folgen ihren Anweisungen, der Airbus A 320 nähert sich zielstrebig auf der gelben Rollleitlinie seiner Parkposition 61 am Terminal C3. Diejenige, die das Millionen Euro teure Flugzeug professionell dirigiert, ist Auszubildende zur Luftverkehrskauffrau im ersten Lehrjahr. Die Aufgaben eines „Marshallers“, des Maschineneinwinkers, beherrscht sie. David assistiert Goliath, das funktioniert auf den Airports der Welt nach gleichen Zeichen. „Ein paar Zentimeter Abweichung, aber in der Toleranz, die Maschine steht gut“, sagt die 20-Jährige.

Das T. Kersten zeigt dem Piloten mit ihren Stäben jetzt an: Das Stromkabel ist nun von unten an den Flugzeugbauch angelegt.
Das T. Kersten zeigt dem Piloten mit ihren Stäben jetzt an: Das Stromkabel ist nun von unten an den Flugzeugbauch angelegt.

© Georg Moritz

Fachleute wie sie werden auch auf dem BER noch gebraucht. Zwar gibt es immer mehr elektronische Einweistafeln. „Doch wenn da mal was ausfallen sollte, müssen Mashaller bereitstehen“, weiß Andreas Kärgel, Schulungsbeauftragter für den Bereich „Aviation“. Außerdem werden die Billigflieger weiter von Hand eingewunken.

Insgesamt 13 Jugendliche machen gerade wie die in Müllrose bei Frankfurt/Oder aufgewachsene Frau ihre Ausbildung zum Luftverkehrskaufmann/frau bei der Flughafengesellschaft. 63 Lehrlinge und Studenten im dualen System gab es laut Pressesprecher Lars Wagner zu Jahresanfang in Tegel und Schönefeld. Viele erlernen auch Berufe in der Verwaltung. Janine Kersten ist seit August 2012 dabei, sie war schon beim Einkauf, kommt noch ins Marketing.

Das Kreuz. Wenn der Flieger die richtige Position erreicht hat, zeigt die Mashallerin mit diesem Symbol an: „Hier stoppen!“
Das Kreuz. Wenn der Flieger die richtige Position erreicht hat, zeigt die Mashallerin mit diesem Symbol an: „Hier stoppen!“

© Georg Moritz

Abfertigung, Check-in, Pressestelle – das sind so die Stationen einer werdenden Luftverkehrskauffrau. Die Chancen auf Übernahme stehen nicht schlecht. Laut Tarifvertrag werden Lehrlinge mit guten Leistungen mindestens ein halbes, bei sehr guten Leistungen ein ganzes Jahr übernommen – mit der Option auf eine dauerhafte Beschäftigung. Insgesamt hat die Flughafengesellschaft 1500 fest angestellte Mitarbeiter – wie berichtet, soll das Personal in Tegel jetzt noch aufgestockt werden.

Falls mal einer der Jungs auf dem Vorfeld einen Spruch machen sollte: „Ich bin schlagfertig.“

Die Faust. Das steht für Bremse. Die Faust macht sie auf, wenn die Klötze vor und hinter den Rädern liegen: „Bremse lösen!“
Die Faust. Das steht für Bremse. Die Faust macht sie auf, wenn die Klötze vor und hinter den Rädern liegen: „Bremse lösen!“

© Georg Moritz

Janine Kersten nimmt die Ohrenschützer ab, tritt beiseite und erzählt: „Ich wusste seit der 7. Klasse, dass ich zum Flughafen will. Mich hat diese Welt immer fasziniert, wenn ich mit meinen Eltern verreist war.“ In der 10. Klasse ist sie extra vom Gymnasium auf ein Oberstufenzentrum mit der Ausrichtung Wirtschaft gewechselt. „Ich hatte vier Jahre Russisch, habe freiwillig ein Jahr Spanisch gelernt, Englisch natürlich, drei Jahre Französisch.“

Jetzt draußen zu sein bei jedem Wetter, mache ihr nichts aus. Falls mal einer der Jungs auf dem Vorfeld einen Spruch machen sollte: „Ich bin schlagfertig.“ Das passt. „Du musst richtig energisch sein, zeig allen: Du bist der Boss, alles hört auf dein Kommando“, hat ihr Jürgen Pergam, der Mann mit der gelben Sicherheitsweste, zur „Marshaller“-Tätigkeit erklärt.

Pergam ist Mitarbeiter beim Vorfeldservice und länger beim Flughafen, als Kersten auf der Welt ist. Er kennt jeden Tanklastzug und jeden Fuchs auf den Rollfeldwiesen („Die dürfen nicht gefüttert werden!“). Auf einem Flughafen müsse immer alles sicher laufen wie ein Uhrwerk. Natürlich erst recht jetzt, wo so viel los ist wie noch nie. Genügend Mashaller stünden aber an jedem Terminal bereit, heißt es beim Flughafen.

Pergam spricht jetzt in seinem „Follow me“-Fahrzeug Flughafenfachchinesisch in sein Mikrofon. Mit diesem schwarz-gelben Wagen holt er oft die Flieger von der Landebahn ab, bis die Marshaller übernehmen.

Der Daumen. Zum Schluss bestätigt der Pilot ihr Zeichen: „Alles okay!“ Im Ernstfall ist Kerstens Blick natürlich bestimmter.
Der Daumen. Zum Schluss bestätigt der Pilot ihr Zeichen: „Alles okay!“ Im Ernstfall ist Kerstens Blick natürlich bestimmter.

© Georg Moritz

Kersten hat mit den Autos Einwinken geübt, „man wird ja nicht gleich auf Maschinen losgelassen“. Und dann rollt unser Auto wie ein Flieger Richtung Startbahn. Erst abwarten: Die Maschine von rechts setzt auf, blauschwarzer Rauch steigt von den Rädern auf. Jetzt gibt der Tower das Okay, im Auto geht es rasch über die Rollbahn. „Ich muss kontrollieren, ob lose Teile herumliegen, die womöglich von den Triebwerken angesaugt werden könnten“, sagt Pergam. Alles in Ordnung. Mehrmals am Tag muss das gecheckt werden. Auch Kersten sucht ihr Gelände ab: Metallteile, Gürtelschnallen?

Janine Kersten würde gern auch richtig große Maschinen einweisen. Alte Flugtickets hebt sie auf, sie „lebt“ ihren Job, sagt sie. Beworben hatte sich Kersten nicht nur in Berlin, sondern auch in Frankfurt am Main, in Hamburg, in Leipzig, in Rostock. „Aber ich bin froh, mich für Berlin entschieden zu haben. Ich bin gern in dieser Stadt.“ Wo sie wohnt? „Ich bin extra wegen BER nach Treptow-Köpenick gezogen.“ Ausgebildet wird sie nun in Schönefeld und in Tegel. Wann sie selbst mal wieder als Passagierin in einen Flieger einsteigt, das weiß sie noch nicht. „Die Ausbildung hat Vorrang, einen Urlaub hab’ ich noch nicht gebucht.“

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