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Berlin: Auf den Putz gehauen

Das neue Bundesumweltministerium gleicht noch immer einer Baustelle Nach einem Rechtsstreit muss jetzt auch die Fassade bearbeitet werden

Die Arbeitsbedingungen im neuen Dienstgebäude an der Stresemannstraße hatten sich die Mitarbeiter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) anders vorgestellt. Seit dem Umzug am 20. Juni residieren sie auf einer Baustelle. Denn trotz dreijähriger Verspätung war der Bau noch längst nicht fertig. Und nach einem vom Architekten gewonnenen Gerichtsverfahren muss nun auch die neue Fassade im Sockelbereich des Altbauteils wieder abgeklopft werden.

Der Komplex besteht aus dem denkmalgeschützten Gebäude des ehemaligen Preußischen Landwirtschaftsministeriums und einem anschließenden Neubau nach dem Standard eines Niedrigstenergiehauses. Das neue Ministerium sollte ursprünglich 47,8 Millionen Euro kosten, doch der Bau verteuerte sich auf rund 67 Millionen. Als Gründe nannte das für die Ausführung verantwortliche Bauministerium die höher als erwartet ausgefallenen Ausschreibungsergebnisse, die Mehrwertsteuererhöhung, den Mehraufwand für die Sanierung des Altbaus und Probleme mit dem Baugrund.

Als die rund 300 Berliner Mitarbeiter dann endlich umzogen waren, bekamen sie erst einmal einen Schreck. Teile ihrer neuen Arbeitsstätte waren ohne Strom, Telefon- und Computeranschluss, in einer Etage musste noch der Bodenbelag verlegt werden und nicht einmal die Tür des Büros von Minister Norbert Röttgen hatte ein Schloss. Inzwischen ist das Ministerium zumindest arbeitsfähig, wie ein BMU-Sprecher betont, der sich ansonsten nicht äußern möchte. Doch Besucher des Ministeriums stoßen auch weiterhin überall auf Handwerker, die Löcher in den Wänden verspachteln, Schlösser in Schranktüren einbauen oder versuchen, die Schaltung für die Jalousien in Gang zu bekommen. Beim Bauministerium verweist man an das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). „Das Gebäude wurde nicht in einem unzulänglichen Zustand übergeben“, heißt es dort. Der „hohe Technisierungsgrad“ sei Ursache dafür, dass gegenwärtig „noch Restarbeiten“ ausgeführt werden. Die Arbeiten an Dach, Fassade und Außenanlagen würden voraussichtlich bis zum Jahresende dauern.

Architekt Jürgen Pleuser sieht das anders. Die Planung habe eine Bauzeit bis zum Herbst dieses Jahres vorgesehen, das Gebäude sei zu einem Zeitpunkt übergeben worden, als „noch viele, viele Arbeiten nicht abgeschlossen waren“. Dies dürfte daran gelegen haben, dass sich bei einem späteren Umzug der teure Mietvertrag für den alten Sitz des Ministeriums am Alex verlängert hätte. Weil „die vom Architekten vorgeschlagene Lösung“ zum geplanten Einzugstermin „nicht machbar gewesen wäre“ hatte das BBR auch die Gestaltung des Fassadensockels vom Altbau geändert.

Die „kosten- und zeitreduzierende Lösung“ ging für die Behörde und den Steuerzahler auf. Denn während die Qualität aus Sicht des Bundesamtes „dem Entwurf des Architekten entspricht“, wurde laut Pleuser die vorgesehene werksteinartige Ausführung des Altbausockels durch „einfachsten Putz mit Anstrich“ ersetzt. Der Architekt sah darin „einen groben Eingriff, der das Erscheinungsbild des Bauwerks verunstaltet“, pochte auf sein Urheberrecht und bekam vor dem Landgericht recht. Jetzt klopfen Arbeiter die rund 200 Quadratmeter Billigputz wieder ab, allein der Rückbau kostet laut Bundesamt rund 70 000 Euro. „Die Sockelzone wird jetzt nach den Plänen des Architekten umgesetzt“, sagt Marion Gärtner, Chefin des Leitungsstabes der BBR-Präsidentin. Auch diese Arbeiten sollen bis zum Jahresende beendet werden.

Doch ein weiterer Rechtsstreit ist nicht ausgeschlossen. Mit großer Aufmerksamkeit beobachtet der Architekt den Fortgang der Dacharbeiten. Vor Gericht habe der Bauherr überraschend erklärt, „aus technischen Gründen“ auch die ebenfalls urheberrechtlich geschützten Planungen für die neuen Dächer des Altbaus abändern zu wollen, sagt Jürgen Pleuser. „Falls erforderlich, werde ich erneut das Gericht anrufen“. Rainer W. During

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