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Berlin: Auf der anderen Seite der Mauer

Am letzten Tag seiner Israelreise fuhr Klaus Wowereit ins Palästinensergebiet Beim Treffen mit Ministerpräsident Kurein war das Interesse am Gast groß

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wie kompliziert die Lage im Nahen Osten ist, hat Klaus Wowereit (SPD) gestern erfahren, als er nach Ramallah fuhr, um den palästinensischen Ministerpräsidenten Ahmed Kurein zu treffen. Berlins Regierender Bürgermeister wollte eigentlich mit dem Staatspräsidenten Mahmut Abbas sprechen, aber der musste kurzfristig in den Gazastreifen fahren. Also geriet das Reiseprogramm durcheinander und Wowereit verzichtete, offenbar in Absprache mit der Deutschen Botschaft darauf, nach dem Besuch in Ramallah noch eine Besichtigungstour in Ost-Jerusalem zu unternehmen.

Der Grund: Der Gast aus Berlin wollte die Israelreise und den Abstecher ins Palästinensergebiet sorgfältig auseinander halten. „Dies war eine Israelreise“, sagte er gestern. Wowereit vermied es auch am letzten Tag seiner Reise, sich in den heiklen Fragen der Nahostpolitik zum hilfsweisen Außenminister aufzuschwingen. Befragt nach dem neuen Schutzzaun zwischen israelischem Gebiet und der Westbank, den er gestern zu Gesicht bekam, sagte er nur: „Der Bau dieses Zauns ist nachvollziehbar. Der Staat Israel hat das Recht, sich zu schützen. Wir wissen, wie stark die Bedrohung ist.“ Trotzdem sei es gut und richtig gewesen, sich vor dem Rückflug nach Berlin „nach den Positionen der Palästinenser zu erkundigen“.

In Ramallah konnte er das, im Gegensatz zum Gazastreifen, ohne großen Aufwand. Der Empfang war freundlich. Es waren mehr palästinensische Kameraleute als Soldaten zu sehen. Die palästinensische Führung ist froh über jeden Gast aus dem Ausland. Worüber unterhält sich ein Regierender Bürgermeister von Berlin mit dem palästinensischen Premier? Über den Aufbau der Polizei, die sozialen Probleme im Land und die bevorstehenden Wahlen – in Israel und in den palästinensischen Gebieten. Dazu hat Wowereit dann doch eine eigene Position. „Wer diese Wahlen gewinnt, hat den deutlichen Wählerauftrag, den Friedensprozess voranzubringen.“ Dann traf Wowereit noch einen alten Studienfreund des Ex-Außenministers Joschka Fischer. Der palästinensische Vize-Parlamentspräsident Ghazi Hanania hat in Frankfurt/Main studiert und spricht sehr gut Deutsch. Hanania kandidiert bei den Kommunalwahlen im Dezember für das Bürgermeisteramt in Ramallah. „Ein angenehmer Mann“, fand Wowereit.

Zuvor ließ er sich, jeden eigenen Kommentar vermeidend, von einem Vertreter der PLO-Organisation „Negotiation Support Unit“ über die verzwickte Lage in der Westbank informieren. Und über die Folgen des Baus der Sicherheitsmauer. Auf der Rückfahrt waren sie für die Gäste aus Berlin zu erahnen, als die beiden Jeeps und der Journalistenbus über den Checkpoint Qalandia holperte. Die mehr als drei Meter hohe, mit Wachtürmen bewehrte Betonmauer weckt besonders bei Berlinern unangenehme Assoziationen. Davor stauten sich die Autos, ein provisorischer Gemüse- und Obstmarkt versorgt die wartenden Menschen am Grenzpunkt mit Lebensmitteln. Überall schwer bewaffnete Soldaten, die zu den deutschen Grenzgängern geradezu charmant freundlich sind. „Konfliktiv und chaotisch“ nannte der Chef des deutschen Vertretungsbüros in Ramallah, Miguel Berger, die Situation. Knut Detlefsen von der Friedrich-Ebert-Stiftung fügte hinzu: „Solche Besuche, wie der des Regierenden Bürgermeisters in Ramallah, sind wichtig, aber die Deutschen müssen eine zurückhaltende Rolle in dieser Region spielen.“

Wowereit, der oft in Israel war, aber nie als Regierungschef des Landes Berlin, hat sich während der gesamten Reise an diesen guten Rat gehalten. Die ungewöhnlich große Aufmerksamkeit, die die Gastgeber Wowereit entgegenbrachten, hat er trotzdem genossen. Locker im Ton, vorsichtig bei politischen Aussagen – alle denkbaren Fettnäpfchen wurden in weitem Bogen umgangen. Ein Mann wie vom diplomatischen Chor. Das hinderte Wowereit nicht, abends beim Bier, Weißwein oder Gin Tonic sich fröhlich frotzelnd über manche Journalisten oder Politikerkollegen lustig zu machen. Aber nur ein bisschen. Der mitreisende Kollege vom „Spiegel“ erfand eine neue, ganz kurze Internetadresse für den Berliner Regierungschef: „Einfach www: Weltweit Wowi.“

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