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Absprung in der Innenstadt. Mit einem Fallschirm springt dieser Extremsportler am Potsdamer Platz in die Tiefe – diese Aktion war allerdings genehmigt.

© IMAGO

Auf der Suche nach dem Kick: Stadt der Extreme

Der schwere Unfall eines Fallschirmspringers am Zoofenster ist kein Einzelfall. Ob U-Bahn-Surfer oder Parkourläufer: In Berlin suchen viele nach dem Kick.

Sie sind auf der Suche nach dem besonderen Kick. Dafür brechen sie Gesetze und gefährden nicht nur ihr eigenes Leben, sondern nicht selten auch das anderer Menschen. Sie selbst nennen sich Extremsportler oder Künstler; Außenstehende halten sie oft schlichtweg für verrückt. Ob U-Bahn-Surfer, Parkourläufer oder Basejumper: In Berlin sind extreme Aktivitäten vielfältig und zahlreich. Und die meisten sind illegal.

Am Mittwoch war ein Basejumper mit einem Fallschirm vom Rohbau des Zoofensters am Hardenbergplatz gesprungen und hatte sich dabei lebensgefährlich verletzt. Der 30-Jährige, der offenbar ein Marinesoldat der Bundeswehr auf der Fregatte „Brandenburg“ ist und erst kürzlich nach Berlin gezogen war, wurde am Donnerstag in ein künstliches Koma versetzt und schwebt weiter in Lebensgefahr.

Nach Aussage der Polizei sind Aktionen wie der Sprung aus 118 Meter Höhe aber eher die Ausnahme. „Eine Großstadt wie Berlin bietet zwar viele Möglichkeiten“, sagte ein Polizeisprecher, „die Gefahr, erwischt zu werden, ist aber umso höher.“

Eine hohe Polizeidichte und rund um die Uhr viele Menschen auf den Straßen halten Adrenalinsüchtige dennoch auch in Berlin nicht davon ab, sich in Gefahr zu begeben. Im Gegenteil ist die Gesetzeswidrigkeit meist Teil des Reizes. Neben den Basejumpern, die mit Fallschirmen von festen Objekten wie Brücken oder Hochhäusern springen, sorgten in den vergangenen Jahren vor allem die sogenannten Traceure oder Parkourläufer für Aufsehen. Sie bewegen sich auf einer Art urbanem Hindernislauf kletternd und springend fort, immer auf der Suche nach dem kürzesten und effizientesten Weg durch die Stadt. Dabei überwinden sie auch Häuser und Hochhausschluchten. Für den aus den Pariser Vororten kommenden Trendsport bedarf es ebenso einer Genehmigung wie für das Basejumping.

Darüber hinaus erregen immer wieder verrückte Einzelaktionen Aufmerksamkeit. Im Jahr 2008 wurden zwei junge Männer festgenommen, die auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee von Grabstein zu Grabstein kletterten – und das als Extremsport bezeichneten. Im Juli des vergangenen Jahres sprang ein 23-jähriger Neuköllner vom Dach des U-Bahnhofs Hallesches Tor in Kreuzberg aus 20 Metern Höhe in den Landwehrkanal. Nach eigener Aussage war er sich der Gefahren eines solchen Sprungs durchaus bewusst, sei jedoch auf der Suche nach dem besonderen Nervenkitzel gewesen. Den suchen wohl auch U-Bahn-Surfer, wenn sie sich bei Geschwindigkeiten von 50 bis 80 Stundenkilometern an U- oder S-Bahnen hängen. Meist sind das Jugendliche, oft aus der Graffitiszene – und manche Fahrt endet tödlich. Erst in der vergangenen Woche verunglückte ein 19-jähriger Tourist, als er sich an einen Waggon der U1 am Bahnhof Möckernbrücke hängte. Nach Polizeiangaben hat sich die Zahl der Surfer aber in den vergangenen Jahren aufgrund der Vorkehrungen auf den Bahnhöfen und veränderter Züge stark verringert.

Ein paar Verrückte aber bleiben. Dabei gibt es in Berlin viele Möglichkeiten, auf legalem Wege den Kick zu bekommen. Zum Beispiel durch Base-Flying, dem Abseilen am Park-Inn-Hotel am Alexanderplatz oder dem als House-Running bezeichneten Hinunterlaufen am Seil. Beides mit Blick zum Boden. Auch fürs klassische Bungeejumping oder Fallschirmspringen bietet die Stadt reichlich Gelegenheiten.

Wer glaubt, dass es illegaler billiger ist, der irrt oft. Gegen den 30-jährigen Marinesoldaten wird wegen Hausfriedensbruchs ermittelt. Wahrscheinlich bleibt es in diesem Fall bei einem Bußgeld im niedrigen dreistelligen Bereich. Teurer kann es werden, wenn beispielsweise durchs U-Bahn- Surfen Züge ausfallen. Dann können deutliche höherere Schadensersatzforderungen hinzukommen.

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