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Berlin: Auf der Suche nach Hitlers Bunker

Untergegangen: Nichts ist übrig geblieben von der letzten Befehlszentrale des Nazi-Reichs. Touristen vermissen Hinweise auf den Ort

Wer benommen, nachdenklich, betroffen und berührt aus dem Kino kommt, in dem er gerade den Film „Der Untergang“ gesehen hat, fragt unwillkürlich nach den authentischen Orten: Was ist von jener letzten Befehlszentrale des Dritten Reichs geblieben, in der es nichts und niemanden mehr zu befehligen gab? Die einst so prachtvolle Reichskanzlei lag unter dem Granathagel der heranrückenden Roten Armee, Hitlers Hauptquartier war nurmehr ein Bunker im Garten der Reichskanzlei, acht Meter tief, mit vier Meter starken Wänden. „Es war bedrückend, alles spielte sich auf engstem Raum ab, jeder bekam genau mit, was sich hier in den letzten Apriltagen 1945 ereignete“, sagt Rochus Misch, der damals als Telefonist im Führerbunker saß und die Verbindungen nach draußen aufrecht erhielt. Als letzter noch lebender Zeuge des Nazi-Exitus ist er in diesen Tagen ein viel gefragter Mann. Der Film zeigt einen Teil auch seines Lebens, „irgendwann“ will er ihn sehen, vielleicht hat er auch ein seltsames Gefühl vor dieser Begegnung mit dem Untergang.

Was ist geblieben von dem Bunker, dessen Bau etwa 1,4 Millionen Reichsmark gekostet haben soll? Genau gesagt: Nichts. 1987 hatte die DDR beschlossen, am Westrand der damaligen Otto-Grotewohl- und heutigen Wilhelmstraße siebenstöckige Häuser zu bauen, auch, um den Blick vom Osten auf die Mauer entlang der Ebertstraße zu verstellen. Die Wilhelmstraße war, abgesehen vom „Haus der Ministerien“, kein Regierungsort mehr, die Trümmer der alten und der neuen Reichskanzlei entlang der Voßstraße sind längst abgeräumt – nun, 1988, stellte man eine Wagenburg auf, um den Führerbunker unbeobachtet in die Luft zu jagen. Das schwierige Unterfangen dauerte Wochen und Monate, der Stahlbeton war hartnäckig. Am Ende ließ man die Bodenplatte liegen und zwei Seitenwände stehen, verfüllte das Ganze mit Sand und Schutt, legte einen Kinderspielplatz, eine Grünfläche und einen Parkplatz an. Basta.

Die Idee, den Bunker touristisch zu nutzen, wie es die Polen mit Hitlers einstigem Hauptquartier „Wolfsschanze“ gewinnbringend tun, wäre als absurd und geradezu staatsfeindlich verworfen worden. So stehen heute, mehrmals täglich, vor allem amerikanische und englische Touristengruppen mit ihrem Stadtführer etwas ratlos auf dem Asphalt zwischen der Parkplatz-Einfahrt der Straße In den Ministergärten und der Verlängerung des Hauses Gertrud-Kolmar-Straße 4, um zu hören, dass hier, unter den Ahornbäumen und Sträuchern, der Führerbunker stand, vor dem die Leiche Adolf Hitlers verbrannt wurde und damit das Dritte Reich sein Ende fand. Ist es nicht an der Zeit, in geeigneter Form diesen historischen Ort, der nur knapp 100 Meter vom Holocaust-Mahnmal entfernt ist, mit erklärenden Bild- und Texttafeln zum Beispiel, kenntlich zu machen?

Momentan füllt ein neues Büchlein aus dem Ch. Links Verlag die Informationslücke. „Berlin 1933 - 1945“ heißt der „Stadtführer zu den Spuren der Vergangenheit“: Historisches wird kurz und knapp erklärt, Gegenwärtiges beschrieben (12,90 Euro). Die Stadt steckt voller Geschichte. Aus seiner Reichskanzlei ging Adolf Hitler durch die Ministergärten zum Dienstsitz des „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt Berlin“, um mit Albert Speer ganze Nächte hindurch die monumentale Welthauptstadt Germania zu planen. Sie sollte sich „der Größe ihrer Mission anpassen“ und 1950 fertig sein. 180000 Menschen hätten in einem 320 Meter hohen Dom Platz gefunden, um ihrem Führer zuzujubeln. Der Größenwahn kannte keine Grenzen. Er wurde im Gebäude der heutigen Akademie der Künste am Pariser Platz geplant, und er endete in einem Bunker, der jetzt im Kino eine Hauptrolle spielt, aber unter verbranntem Rasen und einem staubigen Parkplatz für immer verschwunden ist.

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