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Auf Deutsch gesagt: Behängt und abgesenkt

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Gibt es noch Vollblutpolitiker, deren farbiger Rhetorik unsereiner mit Vergnügen lauscht? Ja, aber sie sind rar. Viele reden wie Oberinspektoren, als wollten sie mit der Verwaltung konkurrieren. Hölzernes Bürokratendeutsch hat sich breitgemacht.

Zum Beispiel ging die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) in einer der Parlamentsdebatten über das S-Bahn-Desaster auf „die Behängung der Züge“ ein. Du liebe Güte, womit behängt denn die S-Bahn ihre Züge? Etwa mit Reklametafeln, mit Weihnachtsschmuck, Silvesterflitter? Aber nein, gemeint hat die Senatorin die Zahl der Wagen eines Zuges; es ging um die Kurzzüge, die die S-Bahn einsetzt, weil sie anders der großen Probleme nicht Herr wird.

Wild wird gejagt, klar. In der Amtssprache ist sperrig von der Bejagung die Rede, und prompt drücken sich unsere Abgeordnete derart amtlich aus. So äußerte sich die FDP-Fraktion besorgt über die „Wildschweinplage in Berlin“ und forderte den Senat auf, „in Abstimmung mit den Bezirken die Bürgerinnen und Bürger über die Bejagungsmöglichkeiten aufzuklären“. Grundstückseigentümern müssten „unaufgefordert Zustimmungserklärungen für die Bejagung auf ihrem Grundstück“ zugesandt werden. Es folgte der Hinweis auf etliche Verkehrsunfälle, „bei denen Wildschweine verwickelt und getötet wurden“. Wer bitte verwickelt Wildschweine, und wie hat man sich das bildlich vorzustellen? Schon gut, eine untaugliche Formulierung; gemeint sind Unfälle, in die Wildschweine verwickelt waren und getötet wurden.

Politiker wollen sich natürlich Gehör verschaffen. Dazu brauchen sie offenbar Lautverstärker. Es reicht nicht mehr, sich auf ein Gutachten zu berufen, es muss ein „Fachgutachten“ sein, obwohl jeder weiß, dass Gutachten immer von Fachleuten stammen. Mit Vorliebe werden sinnlose Vorsilben als Verstärker erfunden. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) sprach neulich im Zusammenhang mit der Quelle-Insolvenz vom „Abverkauf“ der Lagerbestände.

Auch wird nichts mehr geprüft oder getestet, sondern „abgetestet“. „Das muss man jetzt noch mal juristisch abtesten“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Selbstverständlich war in der Haushaltsdebatte am vorigen Donnerstag wieder ständig von der notwendigen „Absenkung“ der Ausgaben die Rede.

Und Ramona Pop, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, spottete über ein Senatsprojekt: „Niemand nimmt Ihnen heute ab, dass Sie sich dafür auch noch abfeiern.“ Na ja, salopp unter Kumpeln gesagt, mit Selbstironie und modisch unernst, wird tüchtig abgerockt, abgelacht, abgetanzt, abgefeiert. Ach, es sickert auch schon in die Sprache der Politiker ein. Das kann doch nicht ihr Ernst sein.

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