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Auf Deutsch gesagt: Überflüssig und sinnlos

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat neulich den Senat aufgefordert, den Bau einer Sporthalle für die Grundschule in Französisch-Buchholz (Pankow) sicherzustellen, denn diese sei dringend erforderlich. „Dazu ist gegenüber dem Abgeordnetenhaus zum 31. Dezember 2008 zu berichten …“, heißt es in dem Antrag der Fraktion.

Warum gegenüber dem Parlament? Gegenüber dem Parlamentsgebäude steht bekanntlich der Gropius-Bau. Der Senat aber hat schlicht dem Parlament zu berichten, und damit Punkt. Die CDU verlangt ja nicht irgendeine Gegenüberstellung, sondern Auskunft darüber, was der Senat in einer bestimmten Angelegenheit zu tun gedenkt.

Während des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst warf der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Henkel dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit vor: „Ihre Politik ist gekennzeichnet von Sturheit und Demütigungen gegenüber den Beschäftigten.“ Auch in diesem Satz ist „gegenüber“ überflüssig und sinnlos. Sollte der Regierende die Beschäftigten gedemütigt haben, dann können es nur Demütigungen der Beschäftigten gewesen sein.

Das Wort „gegenüber“ hat es offenbar in sich. Es wird inflationär gebraucht, aber häufig falsch. „Sieht der Senat sogenannten ,Kinderlärm’ als natürliche Lebensäußerung von Kindern und Ausdruck kindlicher Lebensfreude an und was tut er für mehr Toleranz und Verständnis gegenüber sogenannten ,Kinderlärm’ und ein kinder- und jugendfreundliches Klima in Berlin?“, fragte die Abgeordnete Elfi Jantzen (Grüne). Gegen das Anliegen ist natürlich nichts einzuwenden, gegen die Sprachstolperei schon. Verständnis hat man immer für ein Verhalten, nicht gegenüber einem Verhalten. Abgesehen davon hängt das kinderfreundliche Berlin sprachlich in der Luft, weil die Präposition „für“ fehlt. Was wird für ein kinder- und jugendfreundliches Klima getan?

Oft wird „gegenüber“ mit „gegen“ verwechselt. So fragte Sascha Steuer (CDU): „Welche Schlüsse zieht der Senat aus der jüngst vorgestellten Studie, nach der Schüler mit Migrationshintergrund massive Vorbehalte gegenüber Homosexuellen haben?“ Und die Grünen verwiesen in einem Antrag auf „verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dieser Optionsregelung“ (im Staatsangehörigkeitsrecht). Irrtum: Vorbehalte oder Bedenken hat man immer gegen etwas.

Mit „gegen“ wird eben ein Gegensatz ausgedrückt, eine entgegengesetzte Richtung. „Gegenüber“ kennzeichnet eine gegenüberstehende Person, eine frontale Lage oder auch eine Hinwendung. Sie stand mir gegenüber. Wer Verständnis für Kinder hat, ist den Kindern gegenüber verständnisvoll. Ach, es lohnt sich, auf die Wortwahl zu achten.

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