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Auf Deutsch gesagt: Visionäre Nutzung

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Manchmal verwirren uns Politiker mit unfreiwilliger Komik, die nur traurig stimmt. „Die Bewahrung der SED-Diktatur, aus der viele Menschen flüchteten, aber auch der Protest der Menschen in der DDR im Jahr 1989 müssen für nachkommende Generationen greifbar verständlich gemacht werden“, las ich in einem Antrag der CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses zum Thema Mauergedenkstätte. Nanu, will die CDU etwa die SED-Diktatur bewahren? Gewiss nicht, sondern die Erinnerung daran.

Und was ist eine visionäre Nutzung des Humboldt-Forums in spe? „Einzelnen Institutionen Quadratmeterzahlen zuzuweisen, heißt die visionäre Nutzung dieses für das gesamte Land bedeutenden Areals aufzugeben“, meinten die Grünen in einem Antrag. Mag sein, dass sie eine Vision für die Funktion des Stadtschlosses vermissen. Doch eine Vision ist ein Zukunftsbild, eine Vorstellung, die man verwirklichen möchte. Wenn das gelingt, erfüllt sich die Vision. Folglich gibt es keine visionäre Nutzung des Humboldt-Forums.

Oder nehmen wir den Koalitionsstreit über die Zukunft des ICC. So forderte die SPD den Senat auf, „ein Gutachten zu beauftragen, das die Anforderungen an einen modernen und zeitgemäßen Kongress- und Messestandort formuliert ... Dabei soll geprüft werden, ob und mit welchen Kosten das ICC saniert werden kann.“ Es ist schon eine komische Vorstellung, wie der Senat ein Gutachten mit einer Formulierung beauftragt, in der etwas geprüft werden soll.

Zum Glück ist nicht jede sprachliche Verirrung zu hören, die man in Redetexten liest. Claudia Hämmerling (Grüne) wandte sich vor dem Parlament gegen Pläne zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof, für die ein Volksbegehren angestrengt wird: „Meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit diesem Volksbegehren wird BBI aufs Spiel gesetzt. Sein sie so ehrlich und sagen das den Leuten ... Sein sie sicher, wir werden die Leute informieren und mobilisieren, gegen das Volksbegehren zu stimmen.“

Du liebe Güte: Seien Sie sicher! Seien Sie so ehrlich! Erstens ist ja hier nicht der Infinitiv des Verbs sein gemeint, sondern der Imperativ. Zweitens schreibt man in der Anrede Sie wie Ihr und Ihnen immer groß, um die Gefahr von Missverständnissen zu vermeiden (die beim du, wahlweise Du, nicht auftritt). Es ist eben ein Unterschied, ob ich Sie persönlich meine oder sie (andere), ob ich Ihre oder ihre (deren) Worte höre, Ihnen oder ihnen (denen) zuhöre.

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