zum Hauptinhalt

Auf Deutsch gesagt: Weniger ist mehr

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Ohne den Plural geht es nicht. Doch oft wird die Mehrzahl sinnwidrig gebraucht. So eine Aussage im Plural soll offenbar besonders bedeutungsschwer klingen, eben nach mehr.

Anlässlich der gescheiterten Wahl der Staatssekretärin Hella Dunger-Löper zur Präsidentin des Landesrechnungshofes ist eine Diskussion über die Wahrung der Unabhängigkeit dieses Amtes entbrannt. Die FDP verlangt eine Änderung der Berliner Verfassung; der Rechnungshofpräsident soll nicht mehr auf Vorschlag des Senats, sondern auf Vorschlag des Parlaments gewählt werden, und zwar für zwölf Jahre statt wie bisher auf Lebenszeit. „Änderungsvorschläge, ...ein Vorschlagsrecht des Abgeordnetenhauses zu implementieren, wurde(n) verworfen“, heißt es im FDP-Antrag unter Hinweis darauf, dass die Idee vor Jahren schon einmal erörtert wurde.

Schön und gut, aber welche Vorschläge, da doch nur eine damalige Forderung genannt wird? Ein Vorschlag bleibt ein Vorschlag und wird auch dann nicht zu Vorschlägen, wenn er von mehreren Seiten kommt. Der Plural drückt hingegen aus, dass es sich um mehrere unterschiedliche Vorschläge handelt. Laut CDU-Antrag soll der Rechnungshofpräsident nur für zehn Jahre, aber weiterhin auf Vorschlag des Senats gewählt werden. Wir haben es also mit zwei unterschiedlichen Vorschlägen zur Verfassungsänderung zu tun. Was heißt übrigens „ein“ Vorschlagsrecht des Parlaments? Nicht irgendein, sondern das Vorschlagsrecht ist nach Auffassung der FDP in der Verfassung festzuschreiben.

Die Politik und die Bürokratie liefern täglich Beispiele für den inflationären Gebrauch des Plurals, als sollte er als Verstärker dienen. Immerfort ist von Potenzialen, Ressourcen, Konsensen, Verfahrensdauern, Streiten (Streitigkeiten) die Rede, auch wenn der Singular gemeint ist. „So bestreitet der Senat immer wieder, dass es Doppelarbeiten zwischen der Hauptverwaltung und den Bezirken gäbe“, monierten die Grünen. Doppelarbeit als Begriff genügt, ganz abgesehen vom falschen Konjunktiv II. Mit gäbe wird eine Möglichkeit ausgedrückt, und die ist keinem vorzuwerfen; man kann nur Tatsachen zugeben oder bestreiten.

Längst ist es gang und gäbe, Wörtern einen Plural zu verpassen, den sie ursprünglich nicht hatten. Alle reden über Bedarfe, Inhalte, Verkehre. Die Grünen verwiesen neulich zum Beispiel „auf die spezifischen Bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund“. Manchmal bedarf es zumindest sprachlich auch etwas weniger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false