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Berlin: Auf gutes Geld können Architekten nicht mehr bauen

Von Holger Wild Würden Architekten nicht ohnehin nahezu habituell in Schwarz herumlaufen – sie hätten in Berlin mehr und mehr Anlass: Als Farbe der Trauer. Denn während sich die gut verdienende Elite der Zunft im ICC zum Architektur-Weltkongress versammelt, müssen die kleineren, nlosen Wald-und-Wiesen-Büros mit immer weniger Aufträgen und immer weniger Wettbewerben bei immer schlechterer Zahlungsmoral über die Runden kommen.

Von Holger Wild

Würden Architekten nicht ohnehin nahezu habituell in Schwarz herumlaufen – sie hätten in Berlin mehr und mehr Anlass: Als Farbe der Trauer. Denn während sich die gut verdienende Elite der Zunft im ICC zum Architektur-Weltkongress versammelt, müssen die kleineren, nlosen Wald-und-Wiesen-Büros mit immer weniger Aufträgen und immer weniger Wettbewerben bei immer schlechterer Zahlungsmoral über die Runden kommen. Der Berliner Bauboom der 90er Jahre ist vorbei. Die Zahl der Architekten in der Stadt aber hat sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt.

„Die Entwicklung ist relativ dramatisch“, sagt Ingrid Kuldschun, die Geschäftsführerin der Architektenkammer Berlin. Die wirtschaftliche Lage der Branche in der Stadt sei schon heute „sehr schlecht“. Und, fügt sie hinzu – „die Talsohle ist noch nicht erreicht“.

Der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erstellte Bericht zur Berliner Bauwirtschaft zeigt einen Rückgang des in der Stadt realisierten Bauvolumens von 24 Milliarden Mark im Jahr 2000 auf 20 Milliarden Mark im vergangenen Jahr. Real sind das 15 Prozent weniger – wobei die Bautätigkeit im Hochbau noch weitaus stärker nachließ, also jenem Bereich, an dem Architekten beteiligt sind. Zwar lag das Bauvolumen 2001 immer noch über den 16 Milliarden Mark, die 1991 vor dem Boom in Berlin verbaut wurden. Doch der Trend ist weiter negativ: Die Gesamt-Kubatur der 2001 erteilten Baugenehmigungen lag mit 6,1 Millionen Kubikmetern erstmals unter dem Genehmigungsvolumen von 1991, als es 6,6 Millionen Kubikmeter waren. Auf dem Höhepunkt des Baubooms hatten die Ämter 1995 noch 18,8 Millionen Kubikmeter genehmigt.

Weiter verschärft werde die Situation, so meint Kuldschun, weil der Senat wegen der leeren Kassen auf absehbare Zeit so gut wie keine Aufträge mehr vergeben werde. Damit wird es auch weniger Wettbewerbe geben, zu denen private Investoren nicht gezwungen sind. Dies wiederum trifft besonders die jungen Nachwuchsbüros, die sich ihre Referenzen erwerben müssen.

Statt neue Gebäude zu entwerfen, müssten Architekten sich zunehmend mit „Bauaufgaben im Altbaubereich“ bescheiden, sagt Kuldschun, also mit Restaurierungen, Sanierungen, Dachgeschoss-Ausbauten oder Wohnungsumbauten. Doch „damit kannst du kein Geld verdienen, wenn du etwas Anspruchsvolles machen willst“, sagt der Architekt Holger Kleine. Die Bausumme, und damit das Honorar, sei einfach zu gering. In fünf Jahren als Uni-Assistent hat er „für Freunde und Freunde von Freunden“ gearbeitet und Leute, die für Originalität und Qualität zu zahlen bereit waren. Nun ist Kleine selbstständig und nimmt sich gegebenenfalls freie Mitarbeiter. Jedoch muss er feststellen, dass auch „der Markt für Altbausanierung oder -ausbau geringer wird“, und viele Eigentümer ohnehin einen Generalunternehmer beauftragen, der seinen eigenen festen Architekten hat.

Die Perspektiven sind also düster für die gut 6000 bei der Berliner Kammer eingetragenen Architekten – und die unbekannte Zahl derjenigen, die, weil etwa Berufsanfänger oder ohne die Absicht, ein eigenes Büro zu gründen, nicht in der Architektenrolle stehen. Im Juni waren in Berlin 1500 von ihnen arbeitslos gemeldet. Eine deutliche Steigerung nach 1300 im Jahresdurchschnitt 2001, 1000 im Jahr 2000 und 900 in 1999. Zwar wurden zuletzt wieder mehr Architekten in eine neue Stelle vermittelt; doch handele es sich dabei zunehmend um „Studenten in den letzten Semestern, die von Büros für einzelne Aufgaben eingestellt werden“, sagt Cornelie Schlegel vom LandesaArbeitsamt.

Von Fristvertrag zu Fristvertrag hat sich auch Christian Hales durchgeschlagen, seit er vor vier Jahren an der TU sein Diplom gemacht hat. „Du arbeitest an einem Projekt, und wenn das fertig ist, stehst du wieder auf der Straße.“ Hales hatte immerhin das Glück, dass ihm immer jemand Bescheid sagte, wenn wieder irgendwo eine billige Kraft gebraucht wurde. „Jobs kriegst du sowieso nur noch über Beziehungen“ – um dann, wie er bitter hinzufügt, „als Bauzeichner zu arbeiten“. Diesen Berufsstand, so hat er beobachtet, gebe es in seiner Ursprungsform so gut wie gar nicht mehr. Stattdessen beschäftigten die Büros Nachwuchsarchitekten, die zwar überqualifiziert sind, aber froh, überhaupt einen Job gefunden zu haben. Und entsprechend bereitwillig unbezahlte Überstunden schieben. Oder es werden eben gleich Studenten genommen, die aus Sicht des Arbeitgebers noch billiger sind. Immer öfter, beobachtet Hales, gibt es nicht mal zwar befristete, aber dennoch feste Verträge, sondern die Leute „arbeiten als Scheinselbständige“. Und wer demnächst sein Diplom macht, „der kriegt gar nichts mehr“, erwartet Hales. „Die jobben dann in der Kneipe.“

Kollege Kleine sieht indes auch Vorteile in der Krise: „Wenn du mit kleineren Projekten anfängst, musst du im Detail arbeiten und dir kniffelige Einzellösungen ausdenken. Ganz anders, als wenn du zigtausend Quadratmeter Büroraum runtermeterst.“

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