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Berlin: Auf Keller-Niveau

Innensenator Körting traf sich in Köpenick mit Jugendlichen aus der rechten Szene. Doch alles Reden brachte wenig

Von Frank Jansen

Vor der Brust baumelt an einem Kettchen ein kleines Eisernes Kreuz. Der 17-Jährige trägt die Miniaturausgabe des einstigen Kriegsordens mit sichtbarem Stolz, genauso wie die Schnürstiefel, die Tarnhose und das Polohemd mit den schwarz-weiß-roten Streifen am Kragen. „Et kann einfach nich’ sein, det sie die ganzen Ausländer hier reinholen und nich’ drauf achten, det sie wieder gehn’“, berlinert der Möchtegernkriegsheld sein Gegenüber an. Dieser sieht anders aus: Dunkler Anzug, rote Krawatte, kurzärmeliges Hemd mit kleinen Karos. Es ist der Innensenator leibhaftig, der nach einigem Hin und Her am Mittwochabend doch nach Schöneweide zum „Kulturverein Brücke 7“ gekommen ist – um mit jungen Extremisten zu diskutieren. Gekommen ist allerdings fast nur rechtes Kurzhaarvolk, die Linken meiden das Lokal. Ehrhart Körting schlägt sich wacker. „Wir haben damals mehrere hunderttausend Menschen geholt, damit es uns gut geht“, belehrt er den jungen Träger des Eisernen Kreuzes. Der schüttelt nur den Kopf.

Körting hat sich auf heikles Terrain begeben. Die Kneipe mit der engen Kellergalerie ist umstritten, seitdem der umtriebige und stets heisere Vereinschef Claus Bubolz versucht, junge Rechte und Linke an einen Tisch zu holen. Bei einer Veranstaltung im Mai mischten sich NPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt und andere Berufsrechte unter das Publikum. Diesmal achtet Bubolz darauf, dass der harte Kern draußen bleibt. Ein Rechtsextremist, der als Anmelder vieler Aufmärsche bekannt ist, und Mitglieder der „Kameradschaft Tor“ ziehen maulend auf die andere Straßenseite und starten eine Spontankundgebung. Die Neonazis entrollen ein schwarzes Transparent, das Gewalt androht: Ein Vermummter holt zum Wurf einer Brandflasche aus, daneben prangt die Parole „Gegen die Diktatur eurer Demokratie“. Und Körting wird in Sprechchören als „Heuchler“ beschimpft. Er nimmt es gelassen.

In dem engen, feucht riechenden Keller versucht der Senator, dem nationalen Nachwuchs von den Pauschalparolen abzuhelfen. Als ein Neuköllner Stiefelträger vorwurfsvoll behauptet, er sei von Arabern zusammengeschlagen worden, gibt Körting zu, die Gewalt von Jugendlichen, gleich welcher Herkunft, sei ein Problem in der Stadt. Und er verwahrt sich gegen Rausschmissphantasien. Wenn nichtdeutsche Straftäter „hier geboren und hier aufgewachsen sind, ist es unsere Aufgabe, sie zur Räson zu bringen“, sagt Körting. „Oder wie der Berliner sagt: Dann kriegt er mal eins auf die Schnauze.“ Doch der derbe Tonfall scheint die Jungrechten auch nicht zu überzeugen. Zumal Körting betont, die seit Jahrzehnten in der Stadt lebenden Türken sind „Berlinerinnen und Berliner“. Ein Glatzkopf ruft:„Nein!“, Körting ruft: „Doch!“ Mehr Niveau ist an diesem Abend nicht drin.

Der Verein „Brücke 7“ hat ehrgeizige Ziele. Bubolz möchte gegenüber vom S-Bahnhof Schöneweide eine Begegnungsstätte aufmachen, die größer sein soll als das Domizil in der Brückenstraße. Doch trotz der illustren Namen, die der Verein im Kuratorium versammelt – unter anderem Günter Grass, Walter Jens, Björn Engholm – gibt es Widerstand im Bezirksamt. Stadtrat Jochen Stahr bemängelt, Bubolz habe „hunderte Faxe“ geschickt, aber keine klare „Projektierung“. Und es müsse der Verdacht ausgeräumt sein, Neonazis könnten die Begegnungsstätte nutzen, um sich für öffentliche Diskussionen zu schulen. Bubolz reagiert allergisch: „Muss ich noch den Papst zu Hilfe holen?“

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