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Berlin: Auf Spurensuche

Der Tag eins nach dem Fall der Mauerkreuze: Touristen fotografieren ins Leere

Sie suchen die letzten Spuren. „Es tut schon weh“, sagen Heidi und Volker Hedrich aus dem westfälischen Warendorf. Sie fotografieren, was noch übrig ist: Ein Stück Mauer, mehrere Holzbalken, merkwürdige Schaumstoffreste, die Planierbagger am hinteren Ende des Areals. Sie machen noch ein Foto vom Gitterzaun, vom Mannschaftswagen der Polizei, von der Absperrung auf dem Bürgersteig. . .

Schon vor einer Woche waren sie am Checkpoint Charlie. Da fotografierten sie die vielen Kreuze und die weiß getünchte Mauer. Ein paar Tage später kamen sie wieder vorbei. Nun hielten sie im Bild fest, was sie erst nicht glauben wollten. Die Fotos dokumentieren, wie ein Mahnmal wirkte – und wie es am Ende versank.

„Berlin hat sich offenbar für die Sachlichkeit, nicht für die Emotion entschieden“, sagen die Hedrichs. Und: Die Stadt hätte um das Mahnmal kämpfen müssen. Da hievt ein Kran an der Zimmerstraße das letzte Mauerstück auf einen Sattelschlepper. „Skandal“, ruft eine Gruppe Jugendlicher. Sonst ist es merkwürdig still, gestern Mittag, am Tag eins nach dem Fall von Kreuzen und Mauern. Die Touristen machen einen kleinen Bogen um das Brachland. Es wirkt mit seinem mobilen Metallgitter und dem abgesperrten Bürgersteig wie verbrannter Boden. Dass die Polizei hier steht, wundert viele. „Wir sind da, für alle Fälle. Man weiß ja nie“, erklärt ein Polizist. Beschimpft hat sie wegen des Abrisses bislang keiner. Die Wut ist still, wie bei Herbert Bialucha, einem der wenigen Berliner hier. Senat und Bund hätten sich aus ihrer Verantwortung gestohlen, sagt er. Er sieht deprimiert auf das sandige Gelände. „Das bleibt jetzt auf Jahre so.“ Eine amerikanische Reisegruppe kommt vorbei. Ihr Stadtführer erzählt, dass sie leider zu spät kommen. Dienstag hätten sie noch die Mauer sehen können., „War aber alles Disneyland wie der Checkpoint und die Soldaten davor“, tröstet er. Viele fotografieren die Leere. Anne Overlöper aus Essen war im Dezember am Checkpoint, jetzt ist sie mit Bekannten wieder hier. „Da fehlt etwas“, sagt sie traurig. „Das ist schon ein komisches Gefühl.“ C. v. L.

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