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Große Pläne. Programmdirektorin Léontine Meijer-van Mensch.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Umbau im Libeskind-Bau: Das Jüdische Museum Berlin geht neue Wege

Am Wochenende schließt die Dauerausstellung des Jüdischen Museums. Beim Umbau soll der Libeskind-Bau wieder mehr zur Geltung kommen.

In diese Leuchtreklame hat Léontine Meijer-van Mensch sich einfach verguckt, würde sie am liebsten bei sich zu Hause aufhängen. Na gut, vielleicht etwas groß, gibt sie zu. In verheißungsvoll strahlendem Rot bilden die geschwungenen Buchstaben einen Namen, der gerade in Berlin noch immer hochpräsent ist, wenngleich er heute in eckigen Lettern viel sperriger daherkommt, betont noch durch den Wechsel von Groß- und Kleinbuchstaben: KaDeWe – oder eben, in der alten Schreibweise, Kadewe.

In der Dauerausstellung des Jüdischen Museums ist der neben einem riesigen historischen Warenhausfoto schwebende Schriftzug eines der Lieblingsobjekte seiner Programmdirektorin. Kein Original, vielmehr eine 2001 angefertigte Replik der Leuchtreklame, die ab 1925 für den 1907 von dem jüdischen Kaufmann Adolf Jandorf gegründeten Konsumtempel vom Wittenbergplatz warb.

Und doch für die Niederländerin ein strahlender Beleg für den jüdischen Beitrag zur Moderne, gerade in den zwanziger Jahren. Und ihr fallen auch gleich weitere Namen ein, Erich Salomon, Pionier der Pressefotografie, oder der Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, von den Nationalsozialisten ermordet der eine, ins Exil getrieben der andere.

Wer sich den Kadewe-Schriftzug und all die anderen Schauobjekte des Dauerausstellung ansehen will, muss sich beeilen. Léontine Meijer-van Mensch spricht lieber von ständiger Ausstellung, das klingt ihr nicht ganz so unveränderlich, aber das ist mehr in die Zukunft gedacht, gilt nicht mehr für die seit September 2001 fürs Publikum geöffnete Schau: An diesem Sonntag, 20 Uhr, wird sie geschlossen und danach abgebaut. Mehr als ein Jahr wird es dann dauern, bis die neue ständige Ausstellung eröffnet wird.

Dauerhafte Eindrücke

Das bedeutet nicht, dass das Jüdische Museum geschlossen wäre, die Publikumsscharen, die der Museumskomplex in der Kreuzberger Lindenstraße Jahr für Jahr anlockt (siehe Kasten), werden nicht vor verriegelten Türen stehen. Ebenfalls am Sonntag wird eine Ausstellung über Jerusalem mit einem umfangreichen Begleitprogramm eröffnet, die die Zeit des Umbaus überbrücken soll. Dazu gibt es zahlreiche andere Projekte, so die bereits eröffnete Installation „re.so.nant“ des Konzeptkünstlers Mischa Kuball und eine fürs Frühjahr im Garten geplante Installation des US-Lichtkünstlers James Turrell.

Aber die Hauptfrage ist jetzt doch: Wie wird sich das Museum verändern, wie die neue Ausstellung sich dem Publikum im Frühjahr 2019 präsentieren? „Das Konzept reift mehr und mehr und ist schon recht weit fortgeschritten“, berichtet die Programmdirektorin. „Wir fangen bald an zu bauen.“ Ihr oberstes Ziel: Keine Verzögerung, das ist nicht selbstverständlich in der Stadt.

Zunächst gilt es, sich wieder auf die besonderen Qualitäten des Libeskind-Baus zu besinnen. Er galt als schwierig zu bespielen mit seinen vielen Ecken und Winkeln und den Voids genannten Leerräumen, die an die durch den Holocaust gerissenen Lücken erinnern sollen.

Konflikte werden Thema

Man habe anfangs wohl etwas Angst vor dem Gebäude gehabt, meint Léontine Meijer-van Mensch. Sie will, zur Freude von Libeskind, dessen Architektur wieder sichtbarer machen und so mehr zur Geltung bringen, ohne dass die Zahl der gezeigten Objekte deswegen geringer werden müsste. „Man muss die Räume nicht leer räumen, um die Architektur zu zeigen.“ Ihr kommt es darauf an, sie anders zu bespielen, etwa so, wie Mischa Kuball es mit seiner Installation vorgemacht hat.

Ändern will sie die strikt chronologische Struktur, bei der doch immer die Gefahr bestehe, dass die Aufmerksamkeit des Besuchers gegen Ende hin stark nachlasse. Chronologie, das wird es geben, aber durchbrochen von Themenräumen, etwa zur Musik oder der Literatur.

Und sie will die Ausstellung in die Gegenwart hinein öffnen, gerade angesichts des Wachstums der jüdischen Gemeinde durch die Zuwanderung aus Osteuropa. Auch die Konflikte, wie sie etwa in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ausgetragen wurden, könnten da Thema werden, warum nicht? Sei es doch ein Zeichen einer lebendigen Gemeinde, dass es dort auch Konflikte, unterschiedliche Perspektiven gebe.

Wie ihr ohnehin sehr daran gelegen ist das Museum stärker in der Gesellschaft zu verankern, an deren Debatten mitzuwirken, ist es für sie doch „ein sehr lebendiger und diskursiver Ort“. Einer dazu, der sich unterschiedlichen Interessen gegenüber sieht. Jugendliche, oft durch den Schullehrplan ausgelöst, interessierten sich vor allem für die NS-Zeit und die jüdische Religion und Kultur, sagt sie. Touristen kämen häufig besonders wegen der Architektur, wollten wissen, wie es 1945 weiterging. Ihnen stehen bislang Audioguides in acht Sprachen zur Verfügung. Eine neunte Version ist in Arbeit – auf Arabisch.

Jüdisches Museum, Lindenstr. 9-14 in Kreuzberg, Di-So 10-20 Uhr

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