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Berlin: Auferstehung der Monarchie?: Ein Mann für Preußen

Eine spontane Kontaktaufnahme zu Günther Aleith, "Assessor jur., Doctus theol.

Eine spontane Kontaktaufnahme zu Günther Aleith, "Assessor jur., Doctus theol. und Poeta laureatus" ist schwierig. Zwar besitzt der Jurist und Theologe die nötige Ausrüstung, um eine Fernsprechverbindung einzuleiten, verzichtet aber nachhaltig auf die Freischaltung seines Anschlusses. Nun könnte man dahinter eine Inkonsequenz, gar einen Widerspruch im Handeln vermuten - oder aber nur einen sympathischen, kauzigen Spleen. Tatsächlich gibt dieser Zustand einen Hinweis auf tiefe Erschütterungen, die sich in der letzten Zeit in der Seele des Günther Aleith ereignet haben. Zahlen spielen dabei eine Rolle, die "von da oben" gesandt wurden. Die Zahlen haben es in sich. Günther Aleith lässt die Augenbrauen kurz hochschwingen. Diese Andeutung muss zunächst ausreichen. Schließlich haben wir uns erst vor zehn Minuten kennengelernt. Und eigentlich wollten wir auch nur über die Wiedereinführung der Monarchie sprechen.

Der da oben hat Kaiserwetter angeordnet. Günther Aleith überwindet auf leisen Birkenstock-Sandalen, in kleinen Schritten, einen Zigarillostummel rauchend, den Kopf leicht nach vorn geneigt, in Gedanken versunken, die Distanz von der Freitreppe des Alten Museums zum Lustgarten-Brunnen. Kurz nach seiner Ankunft schießt das erste Wasser dieses Tages in den Himmel. Ein Zeichen? Aleith ist skeptisch geworden. In Berlin gebe es nur wenige Zeichen davon, dass es voran gehe, etwa mit dem Aufbau des Schlosses oder der Wiedergeburt Preußens. Und vielleicht brauche es das alles auch gar nicht mehr. Der Schlossplatz, gärtnerisch schön gestaltet, mit dem Staatsratsgebäude als Blickkulisse - warum nicht?

Aleith könnte sich heute vieles vorstellen. Vor einem Jahr hätte er anders gesprochen. Damals loderte die preußisch-blaue Flamme noch ungestüm in seinem Herzen. Mit Begeisterung habe er am 22. März 2000 (203. Geburtstag Seiner Majestät Kaiser Wilhelms I.) sein Amt als Arbeitskreisleiter angetreten, heißt es im Mitteilungsblatt "Erbe und Auftrag" des Vereins "Tradition und Leben" (TuL), ansässig in Lüneburg. "Als neuer Mann" für die Mark Brandenburg und Berlin ließ sich Aleith in Marineuniform ablichten und stellte alsbald einen Sieben-Punkte-Plan auf, um den monarchischen Gedanken endlich voranzubringen. Inzwischen habe er etwas resigniert, gibt er zu. Einsamer sei er geworden, auch unsicherer. Wenn er im Ostteil der Stadt umhergehe, und das tue er oft, blute ihm das Herz. Wegen der Menschen, die in den Papierkörben nach Essbarem suchten.

Aleith kam vor zwei Jahren aus seiner Geburtsstadt Helmstedt nach Berlin, aus Liebe zur alten preußischen Residenz und wegen eines Fußleidens, das eine hiesige Kapazität zu therapieren versprach; es war ein spontaner Entschluss. In den 60er Jahren weilte er schon einmal in der Stadt, studierte zusammen mit Klaus Landowsky und Eberhard Diepgen Jura an der FU und kämpfte in der "Sängerschaft Borussia" gegen den Kommunismus. Der Verein "Tradition und Leben" will seit rund 30 Jahren "der Demokratie die Krone aufsetzen", und zwar die preußische. Die Frage des Thronanwärters sei zwar erst nach Wiedereinführung der Monarchie virulent, für TuL ist aber Georg Friedrich Prinz von Preußen die richtige Wahl. Georg Friedrich studiert gegenwärtig an der Universität Freiberg in Sachsen Betriebswirtschaftslehre. Den Thron würde er zweifelsohne annehmen, sagt Aleith. Mitglied bei TuL ist der Prinz indes nicht - den eigenen Aufstieg zu befördern, schickt sich nicht für einen Preußen. Ein "König von Deutschland" würde quasi den Bundespräsidenten ersetzen, bliebe also wie die übrigen europäischen Königshäuser auf repräsentative Aufgaben beschränkt. Der Vorteil wäre, eine identitätsstiftende, traditionsbildende Symbolfigur zu haben, die nicht auf den Ränkespielen der Partei gründet, sondern auf dem Erbfolgerecht, so heißt es in den Vereinsschriften. Bundespräsidenten sind systembedingt eher älter, Könige eher jünger, also auch frischer, dynamischer, sympathischer.

Das Interesse an Königen ist enorm - siehe Klatschpresse - an Bundespräsidenten eher gering. Zwar birgt diese Aufmerksamkeit auch die Gefahr der Bloßstellung - siehe Ernst August von Hannover oder das britische Königshaus - aber meistens sind Skandale eher die Folge persönlicher Fehlleistungen. Aleith hält Ernst August schlicht für thronunfähig. Das ist allerdings nur seine persönliche Meinung, denn im Verein wird der Welfenprinz grundsätzlich mit SKH, also Seine Königliche Hoheit angeredet. Die Eskapaden finden bei TuL einfach nicht statt. Kritik an Herrscherhäusern werde grundsätzlich vermieden, so Aleith. Was er seinerseits missbilligt.

Kritisch verfolgt Aleith auch, dass rheinländische und süddeutsche Kreise im Verein an Einfluss gewinnen. Das Ziel der Hohenzollernkrone werde von diffusen regionalen Einzelinteressen diverser Herrscherhäuser überschattet. Ob es den Rheinländern oder Bayern wirklich um Preußen zu tun ist - Aleith zweifelt. Ohne Preußens Wiederherstellung dürfe es aber keinen deutschen König geben. Preußen stehe für Toleranz, Freiheit und Frieden - der deutsche Zentralismus eher für das Gegenteil, argumentiert Aleith. Und was ist mit Polen und Russland? Bei seinem letzten Besuch in Königsberg habe er viel Zustimmung erhalten. Russland sei schon viel weiter auf dem Weg zurück zur Krone als Deutschland. Und die Polen befassten sich intensiver mit ihrer preußischen Geschichte als ihre westlichen Nachbarn. Das alte Preußen, also das vor der Reichsgründung 1871, sei ja immer ein Vielvölkerstaat gewesen.

Auch die Franzosen, zumindest die, die er aus der "Casino-Gesellschaft" kenne - zumeist langgediente Offiziere und Diplomaten - "schwärmten für Preußen". Sogar der Papst habe sich in einem Schreiben "sehr nett und zuckersüß" geäußert. Aleith hatte ihm, mehr als Gedankenspiel, wie er eingesteht, die Oberhoheit über ein katholisches Preußen angeboten. Vieles sei denkbar. Aleith will sich nicht auf die genaue Konstruktion eines preußischen Königtums festlegen lassen. Auch eine Kaiserwürde sei im Bereich des Möglichen, allerdings eher im Ensemble mehrerer europäischer Kaiser. Eine preußische Renaissance werde es zunächst nur auf kulturellem Sektor geben können. Nahziel sei "Rest-Preußen" mit Berlin und Brandenburg. Manfred Stolpe, ein "guter Kamerad", habe ihm zugesichert, sich für den Namen Preußen einzusetzen, wenn die Fusion denn gelänge.

Überhaupt Potsdam, da geschehe auf historisch-preußischer Ebene viel mehr als in Berlin: das Fortunaportal, der Stadtkanal. Aleith kann sogar auf der geringen Grundfläche einer Sondermarke zum 300. Krönungsjubiläum Friedrichs I. sein altes Preußen wiederentstehen lassen. Es bedarf einer Vision, wenn man ein Ziel verfolgt, das sagt schließlich jeder Politiker. Oder ist Aleith nur ein weltfremder Schwärmer? Gar ein Phantast?

Immer noch Kaiserwetter. Im Café am Opernpalais erzählt Aleith von seiner Zeit als CDU-Ratsherr in Helmstedt. 1993 kam es zum Eklat mit seiner Fraktion, weil er vom Bauamt Auskünfte verlangt, wo denn die Gelder für die Altstadtsanierung hingeflossen seien. Die Fraktion hielt das für schädlich, und Aleith gab aus Protest sein Parteibuch zurück. Überhaupt sei die katholisch geprägte CDU eher preußenfeindlich eingestellt. Kohl habe er mal den Vorschlag gemacht, als Gegengewicht zur PDS im Osten eine Preußische Volkspartei aufzumachen. Das solle er doch besser bleiben lassen, ließ Parteiveteran Alfred Dregger mitteilen.

Aus der Politik hat sich Aleith inzwischen zurückgezogen. Er flaniert lieber durch die Stadt, schreibt christliche Gedichte zur Huldigung Preußens und hält Vorträge über die Bismarckverfassung als "Muster einer europäischen Unionsverfassung" oder "Preußisch-deutsche Geschichtsdaten nach Gottes Zeitplan." Da sind wir wieder bei den Zahlen, und zwar den düsteren. Aleith nimmt einen der Pappteller, auf denen eben noch speckige Croissants ruhten, leiht sich einen Kuli und schreibt Gottes Zeitplan auf. 9. November 1907: Thronfolger wird geboren, 9. November 1918: Ausrufung der Republik, 9. November 1923: Hitler-Putsch, 9. November 1938: Reichsprogromnacht, 9. November 1989: Maueröffnung. Aus diversen Quersummen und Zeitabständen ließ Gott mitteilen, dass am 9. November 2002 wieder etwas ansteht, und zwar "etwas Schlimmes". Genaueres weiß Aleith auch nicht.

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