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Berlin: Aufregung um einen gläubigen Sänger

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen. „Hat für beide gereicht“, titelte die Hürriyet auf der ersten Seite ihrer Berlin-Beilage, die jeden Mittwoch der Hauptausgabe beigefügt wird.

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

„Hat für beide gereicht“, titelte die Hürriyet auf der ersten Seite ihrer Berlin-Beilage, die jeden Mittwoch der Hauptausgabe beigefügt wird. Man musste regelmäßiger Leser der Zeitung sein, um die Überschrift zu verstehen. Sie bedeutet: „Die ganze Aufregung war umsonst.“ Der reich bebilderte Aufmacher (fast die ganze Seite!) handelte von zwei klassischen türkischen Konzerte, die beide auf das gleiche Wochenende gelegt worden waren. Keiner der Veranstalter wollte seinen Termin verschieben, obwohl die Gefahr bestand, dass es in der Stadt nicht genug Zuschauer für zwei solcher Konzerte gleichzeitig gibt. Das Ensemble des Konservatoriums für türkische Musik spielte also in der Philharmonie, und das Berliner Ensemble für Klassische türkische Musik feierte unter der Schirmherrschaft des türkischen Botschafters, Mehmet Ali Irtemçelik, im Haus des Rundfunks den 80. Jahrestag der Türkischen Republik. „Das Interesse war groß. Die beide Säle waren brechendvoll. So hat sich herausgestellt, dass der wegen desselben Termins entstandene Streit unnötig war“, hieß es am darauffolgenden Mittwoch in den Unterzeilen der Hürriyet-Überschrift. Zur Jubiläumsfeier waren nach Angaben der Zeitung 1000 Gäste gekommen, das Konzert in der Philharmonie sahen 1180 Zuschauer. Es folgten zwei einspaltige Berichte über die Konzerte.

Aber ganz so einfach ist Geschichte nicht. Schon Tage zuvor hatte die Hürriyet in Zusammenhang mit dem Konzert des Botschafters über einen anderen Konflikt berichtet. Die versöhnliche Überschrift zielte also nicht nur auf die gleichen Termine, sondern auch auf den umstrittenen Auftritt des Sängers Ahmet Özhan im Haus des Rundfunks. Dass ausgerechnet dieser Künstler auf einer Veranstaltung zum Jubiläum des 80. Gründungstages der Türkischen Republik singen sollte, brachte den Berliner Verein zur Förderung des Gedankenguts Atatürks auf die Palme. Kurzerhand wurde die Unterstützung für die Jubiläumsfeier abgesagt. Der Grund: Ahmet Özhan ist bekennender Moslem. „Sein Repertoire umfasst neben den traditionellen Komponisten der osmanischen Hofmusik auch mystisch-religiöse Werke“, erklärte der Sender Radio Multikulti, der das Konzert präsentierte, auf seiner Internetseite. „Die (Atatürk-Anhänger) tun ja so, als seien alle außer ihnen Republikfeinde“, beschwerte sich der Chef des Musikvereins, der den in der Türkei sehr populären Künstler eingeladen hatte. Am Mittwoch berichtete die Hürriyet schließlich, dass beide Konzerte glatt über die Bühne gegangen sind. Nicht nur das: Der gläubige Sänger trat nach Angaben der Zeitung ohne Gage auf und eröffnete das Konzert mit der türkischen Nationalhymne. Aufregungen oder Streit, wovon die breite Öffentlichkeit meist nichts mitbekommt, gehören eben zum Programm, wenn türkische Gruppen etwas veranstalten wollen.

Suzan Gülfirat

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