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Berlin: Aufruhr im Amt: Schöffen standen Schlange

Justizverwaltung hatte zu Infoveranstaltung geladen, und gleich mehrere Hundert wollten dabei sein.

So einen Andrang gab es noch nie in dem altehrwürdigen Gebäude. „Die Leute standen an wie früher nach dem Mauerfall fürs Begrüßungsgeld“, sagt eine Frau aus Weißensee. Hunderte drängelten sich gestern Nachmittag im oder vor dem Gebäude der Justizverwaltung an der Salzburger Straße in Schöneberg. Einige Menschen wärmten sich im Flur an der Heizung oder machten ihrem Ärger Luft. „Das ist ja dilettantisch organisiert“, schimpfte Uwe Christiansen aus Wilmersdorf.

Die Justizverwaltung hatte die insgesamt 6000 neuen Schöffen in Berlin zu einer Einführungsveranstaltung eingeladen – doch anders als in den Vorjahren waren nicht nur ein paar Dutzend, sondern offensichtlich mehr als 1000 gekommen. Sie alle fällen künftig mit Berufsrichtern Urteile in Strafverfahren. „So eine Nachfrage haben wir noch nie erlebt“, sagte Justizsprecher Daniel Abbou, „wir finden das wahnsinnig toll, es tut uns aber auch wahnsinnig leid.“ Die Leute waren erschienen, wohl auch, weil die Justizsenatorin selbst per Brief eingeladen hatte: „Ich würde mich freuen, Sie persönlich begrüßen zu dürfen“, und zwar „am 22. Januar um 17 Uhr in Saal A. An diesem Tag wird Justizstaatssekretär Hasso Lieber die Einführung in das Schöffenamt übernehmen.“ Dann folgten – auf der Rückseite des Schreibens – vier spätere Alternativtermine inklusive Vorwarnung, dass es insbesondere am ersten Termin, also am gestrigen Donnerstag, voll werden könne. Aber das hatten viele offenbar nicht gelesen, oder wollten eben zum Staatssekretär. Die ersten Schöffen waren schon um 14 Uhr da, um 16 Uhr waren die Flure voll.

Die Senatorin begrüßte die Anwesenden mit einer Entschuldigung, und es gelang ihr, die Gemüter zu beruhigen, es gab sogar Applaus. Der Staatssekretär bot noch einen Zusatztermin um 19 Uhr an.

Seine erste Einführung hielt er vor gut 150 sitzenden und ebenso vielen in seinem Rücken stehenden Neu-Schöffen – zuvor war noch die Faltwand zum Nachbarsaal eingefahren worden. Noch vor der Tür drängelten sich die Menschen, um zum Beispiel zu erfahren, dass sie es melden müssen, wenn eine Verhandlung ansteht, sie aber Urlaub haben. „Das ist ja eine verantwortungsvolle Aufgabe, man ist ja doch ein bisschen verunsichert und will sich nicht mit der Infobroschüre zufrieden geben“, sagte die Frau aus Weißensee. Sie hatte sich wie der Großteil der Neu-Schöffen selbst für das seit dem 1. Januar fünf Jahre währende Ehrenamt beworben. In Steglitz oder Zehlendorf fänden sich viele Freiwillige, in Neukölln oder Wedding müsste man die Menschen auffordern, sagt Harald Faeser vom Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter. Bewerber müssen mindestens 25 und dürfen höchstens 70 Jahre alt sein. Dass das Schöffenamt gerade so boomt, so mutmaßten gestern viele Anwesende, liegt wohl auch an einer Infokampagne des Bundesverbandes – und an den vielen beliebten Justizserien im Fernsehen.

Infos zum Schöffenamt im Internet:

www.schoeffen-bb.de

Annette Kögel

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