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Berlin: Aufstand der Fußball-Fans

Das Viertel rund um die Friedrichstraße ist schon nobel. Unter den Linden?

Das Viertel rund um die Friedrichstraße ist schon nobel. Unter den Linden? Auch schön. Eine feine Adresse. Am 11. Mai wird es in der Gegend etwas bodenständiger zugehen. Fußballfans wollen dort demonstrieren. Gegen Polizeiwillkür, gegen Fernsehdiktatur, gegen die Kommerzialisierung des Fußballs. Sie wollen ein Zeichen setzen für die Erhaltung der Fan-Kultur. In Szenekreisen wird mit bis zu 3000 Anhängern gerechnet. Der Zug beginnt am Alexanderplatz und führt drei Stunden durch Mitte. Und am Abend des 11. Mai findet im Olympiastadion dann das DFB-Pokalendspiel statt.

Die Initiative "Pro 15:30" hat das Image der Fußballfans verbessert. In einer bundesweiten Aktion hatte sie sich gegen die vom Fernsehen bestimmten Anstoßzeiten gewehrt. Die meisten Bundesligaspiele werden nun wieder am Sonnabend angepfiffen, um 15.30 Uhr. Trotzdem müssten brave Zuschauer im Stadion leiden. Dort würden sie oft wie Verbrecher behandelt, sagen Anhänger. Stadionverbote würden immer schneller und häufiger ausgesprochen.

Das Fanprojekt Berlin, eine Sozialeinrichtung des Landessportbunds, teilt diesen Eindruck. "Vor allem junge Fans werden zu schnell in Verbindung mit der Hooligan-Szene gebracht", sagt Thomas Jelinski, einer der Sozialpädagogen dort. "Der Unmut macht sich nicht mehr nur an den Anstoßzeiten fest", ergänzt Michael Gabriel von der Koordinationsstelle der Fanprojekte (Kos) in Frankfurt (Main). "Es geht vor allem um die Behandlung." So durften die Anhänger des 1. FC Köln bei einem Auswärtsspiel drei Stunden nicht zur Toilette gehen. Sie blieben in ihrem Block eingesperrt.

Tatsache ist: Die Polizei geht rigoros gegen gewaltbereite Fußballfans vor. Das ist ihr Job, und in Berlin macht sie ihn gut. Mittlerweile gibt es kaum noch Krawalle. In Berlin gab es die meisten Hooligans im Land - laut Polizeiangaben etwa 1000. Bundesweit sind es 8000. Sie werden seit 1991 in Kategorien eingeteilt: Hooligans stehen in der Kategorie C; Fans, die etwa unter Alkoholeinfluss zu Gewalt neigen, werden in B eingestuft. Friedliche Zuschauer gehören zur A-Kategorie.

C- und B-Kandidaten müssen sich, falls ein brisantes Spiel zu erwarten ist, auf ihrem Polizeirevier melden. Geben die Beamten bei Kontrollen die Personalien in ihren Computer ein, erscheint auf dem Display der Wortlaut: "Gewalttäter Sport". Dann ist die Reise für den registrierten Fan vorbei. Allerdings gibt es auch Pannen. Das Fußballmagazin "11 Freunde" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe von einem merkwürdigen Fall: Markus K. reiste vor eineinhalb Jahren zur Europameisterschaft. An der Grenze zu Belgien wurde er abgewiesen. Begründung: Gewalttäter Sport, Ausreiseverbot. Die Polizei sagte, er sei vor vier Jahren in eine Schlägerei unter Fußballfans verwickelt gewesen. Kruse war damals tatsächlich vernommen worden - allerdings als Zeuge.

"Man darf die Fan-Demonstration in Berlin nicht falsch verstehen", sagt Kos-Mitarbeiter Michael Gabriel. "Das ist keine Kampfansage an die Polizei - sondern eine Kommunikationsmöglichkeit." Kay Bernstein, Fan von Hertha BSC, hat die Demonstration am 11. Mai bei der Polizei angemeldet, und er ist wütend. Seit einigen Tagen hat er selbst Stadionverbot, bis Jahresende. Das schmerzt.

Bernstein hatte aus Wut eine Fahnenstange auf die Tartanbahn geworfen. Dort soll ein Polizist gestanden haben. Nun hat er ein Verfahren wegen versuchter Körperverletzung am Hals. "Dämlich war es schon", meint Bernstein. Aber er habe niemand auf der Tartanbahn stehen sehen. Das Verfahren läuft noch. "Bevor die Schuld bewiesen ist, wirst du verurteilt: Seltsam, oder?" sagt Bernstein.

Der ideale Zuschauer trägt Anzug. Bei großen Veranstaltungen werden schon mal Werbepartner der Klubs von Hostessen auf die Tribünen geführt. Wie eine Reisegruppe. Sie verhalten sich artig. Aber Stimmung verbreiten sie nicht. In Fankreisen haben sie einen hübschen Namen:

André Görke

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