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Berlin: Aufstand gegen das Wortmonster

32 Buchstaben und ein Bahnhof: Der Name der neuen Zentralstation erhitzt die Gemüter von Lehrte bis Berlin

Von Björn Seeling

Das war kein schöner Zug von Bahn und Senat – die Enttäuschung über den n von Berlins zentraler Eisenbahnstation ist groß. „Berlin Hauptbahnhof – Lehrter Bahnhof“ soll er heißen. 32 Buchstaben lang. Viel zu lang für die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Ganseforth. Sie war für Lehrter Bahnhof. Denn Lehrte liegt in ihrem Wahlkreis Hannover-Land I. „Ich habe das Gefühl, dass wir reingelegt worden sind“, sagt sie.

Wie berichtet, hatten sich die Bahn AG und die Senatsverwaltung für Verkehr Anfang der Woche auf das Wortungetüm geeinigt. Als Kompromiss. Doch der Streit gewinnt weiter an Fahrt. „Dümmer geht’s nimmer“, lässt der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer Dampf ab, der Doppelname sei unpraktikabel. Sein CDU-Kollege Alexander Kaczmarek sieht das ähnlich und stellt sich schon einmal die Netzspinne vor. Sein - nicht ganz ernst gemeinter – Vorschlag: „Man kann ja Fußnoten anbringen.“ Keinen Spaß versteht er indes in der Frage, wie mit dem Ergebnis der Bürgerbefragung umgegangen wurde. „Erst macht man die Leute heiß, und dann stößt man sie vor den Kopf.“ Wie berichtet, hatte sich die Mehrheit der Umfrageteilnehmer für „Lehrter Bahnhof“ ausgesprochen. Und „Hauptbahnhof“ wurde nach der ersten Runde schon aus dem Verkehr gezogen. Hoch her geht es in Internet-Diskussionsforen, in denen der Namensstreit schon seit vielen Monaten erörtert wird. „Man hätte sich die Abstimmung sparen können“, schreibt einer der Teilnehmer „Der Doppelname stand gar nicht zur Abstimmung – Betrug!“ fühlt sich ein anderer Schreiber auf die falsche Schiene gesetzt.

Weitaus weniger verbittert urteilt Jutta Voß über den Kompromiss. „Wir sind sogar ziemlich froh darüber, sagt die Bürgermeisterin von Lehrte – und hat eine Hoffnung: Dass der Zug für „Lehrter Bahnhof“ doch nicht abgefahren ist, weil der Name in Gebrauch bleibt. „Das wird so etwas wie der Rufname eines Kindes, das einen Doppelnamen hat.“ Sprachmonstren hätten eben keine Chance.

„Das ist eines dieser Wortungetüme, die keiner versteht“, urteilt auch ein anderer Kommunalpolitiker. Bürgermeister Joachim Zeller, in dessen Bezirk Mitte der Zentralbahnhof liegt, sagt: „Der Name wird sich nicht einbürgern.“ Ein wenig erinnere ihn dieser an früher, als die DDR die Bedeutung ihrer Hauptstadt mit einem Hauptbahnhof unterstreichen wollte. Das mit der Hauptstadt findet Margit Scheller-Wegener von der Firma Metadesign, die vor Jahren das Informationssystem der BVG entworfen hat, wiederum gar nicht so schlimm. „Berlin hat nun mal diese Funktion, und eine Hauptstadt braucht einen Hauptbahnhof.“ Wichtigstes Argument bleibe Orientierungshilfe. „Doppelnamen sind verwirrend. Und Lehrter Bahnhof sagt einem Ortsfremden nichts.“

Die Bahn zeigt sich indes zufrieden. Was genau auf Tickets und Plänen vermerkt wird, ist noch unklar. Das gemischte Doppel wird’s wohl nicht sein. Bereits das Schild „Berlin Hauptbahnhof“ soll nur den verkleinerten Zusatz „Lehrter Bahnhof“ erhalten. Bahnsprecher Burkhard Ahlert verteidigt diese Lösung: „Es wird der Bahnhof schlechthin. Und der braucht einen Namen, der seines Ranges würdig ist.“ Ob Doppelname oder kleinerer Zusatz – wann der neue Name anrollt, ist noch offen. Denkbar wäre, dass die Bahn die Weichen für eine Umbenennung am 15. Dezember stellt. „Es gibt aber keinen Termindruck“, sagt der Bahnsprecher. Allerdings dementiert er Gerüchte, dass der lange Name ein Ausgleich sein soll – fürs verkürzte Hallendach.

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