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Berlin: Aufstehen, hingehen, bekennen Gläubige, zeigt euch, fordert der Pfarrer

Ein Baugerüst mit zerfetzten Plastikplanen, davor ein Schuttcontainer und ein Bauwagen – die Fassade ist wenig einladend. Die hübsche Backsteinkirche von 1896 ist erst zu sehen, wenn man den heckenbepflanzten Hinterhof betritt.

Ein Baugerüst mit zerfetzten Plastikplanen, davor ein Schuttcontainer und ein Bauwagen – die Fassade ist wenig einladend. Die hübsche Backsteinkirche von 1896 ist erst zu sehen, wenn man den heckenbepflanzten Hinterhof betritt. Vögel zwitschern. Im Innenraum der Sankt Gertrud Kirche in Prenzlauer Berg hängen quadratische Steinbilder an der Wand, die Passion Christi. Darüber zieht sich das dunkle, mit geometrischen Formen verzierte Holzgeländer des Chors durch den Raum. Durch die riesigen bunt verglasten Fenster fällt rot-gelb-blau verfärbtes Licht. Vielleicht hat Joachim Kucklick die zerbröckelte Hausfassade, hinter der die hübsche Kirche versteckt liegt, zu seiner Predigt inspiriert.

„Bei seiner Wanderung nach Jerusalem zog er durch die Grenzgebiete von Samaria und Galiläa.“ Pfarrer Kucklick zieht die Augenbrauen hinter der großen Brille hoch, als er mit warmer, knarziger Stimme aus dem Lukas-Evangelium vorliest. Jesus zieht durch ein Dorf, in dem ihm zehn aussätzige Männer begegnen, erzählt er. Als sie ihn um Hilfe bitten, antwortet er, sie sollten sich den Priestern zeigen. Auf dem Weg dorthin werden sie geheilt. Aber nur einer kehrt zurück und wirft sich Jesus zu Füßen. „Stehe auf, gehe hin, dein Glaube hat dir Heilung gebracht“, sagt Jesus zu ihm.

Viele Theologen beklagten den Rückzug der Christen in einen privaten Glauben, beginnt Pfarrer Kucklick seine Interpretation. Dass die Zahl der Gläubigen abnähme, liege auch daran. Aber worin begründet sich Glauben? Das zeige die zitierte Bibelstelle: In dem Bewusstsein, dass jemand sich zuständig fühle für in Not Geratene. „Und in Dankbarkeit.“ Der Dankbare nehme das Gute nicht als selbstverständlich an , er suche nach dessen Urheber. „Wenn wir dankbar sind, und wenn wir uns nicht zurückhalten, kann unser Glaube ansteckend werden“, sagt Kucklick. Die Besucher nehmen ihn beim Wort, das nächste Lied hallt besonders laut durch den hohen Raum: „Wir glauben an den einen Gott.“

Anne Seith

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