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Berlin: "Aura Gelobtes Land": Kräftige Hiebe auf rohen Ziegeln

Die innen enthäutete Parochialkirche hat befristet eine "Aura Gelobtes Land" bekommen: mit kräftigen Farbhieben auf große Leinwandflächen. Das unverputzte rauhe Ziegelwerk des Gotteshauses in der Klosterstraße trägt diese Bilder von Dietrich Stalmann bis zum 22.

Die innen enthäutete Parochialkirche hat befristet eine "Aura Gelobtes Land" bekommen: mit kräftigen Farbhieben auf große Leinwandflächen. Das unverputzte rauhe Ziegelwerk des Gotteshauses in der Klosterstraße trägt diese Bilder von Dietrich Stalmann bis zum 22. April. Stalmann ist 40 Jahre alt und Berlin keineswegs fremd, wo er gleichermaßen wie in München wirkt. Seine "Aura Gelobtes Land" hat er geschaffen für diesen Raum, aber die Bilder können dort nicht länger bleiben als für die Dauer der Ausstellung. Die Parochialkirche trägt im Innern noch die Spuren ihrer Verwüstung im Krieg. Am Äußeren geht es voran. Der Turm ist erneuert, aber nicht in seiner ursprünglichen Höhe zur sagenhaften "Singuhr", dem Glockenstuhl, den Löwen an vier Seiten bewacht hatten.

Die Parochialkirche ist wieder Gotteshaus geworden. Und seit der Wende auch Raum für Kunst. Die Narben, die Reduktion aufs rein Räumliche gibt der Parochialkirche eine schöne, beredte Würde. Zu ihr gehört das überm schlichten Altar schwebende Kreuz, gemacht aus rohem Rohrabfall. Unter diesem Kreuz ist bei der Gemeinde die Kunst in all ihren Spielarten zu Gast. Jetzt mit Stalmanns "Aura Gelobtes Land". Den Auftakt zu dieser Raumnutzung hatte zum 50. Jahrestag der Zerstörung der Parochialkirche Benjamin Brittens War Requiem gemacht, mit einer deutsch-russischen Musikgemeinschaft. Dieses Werk in dieser Gemeinschaft an diesem Ort dargeboten, war kennzeichnend für die neue zusätzliche Bestimmung des Gotteshauses als Raum für Kunst auch ohne christlichen Bezug. So wurde zum Beispiel ein Abend mit Don Giovanni unterm Kreuz ein Genuss.

Die Parochialkirche war der erste bedeutende Sakralbau des Berliner Barock. Sein Bau nach Entwürfen von Arnold Nering wurde 1695 begonnen und unter Friedrich I., König in Preußen, 1703 beendet. Dessen Sohn, Friedrich Wilhelm I. krönte das Gotteshaus mit dem Turm. Im Mai 1944 wurde die Kirche zur Hölle, in der nahezu alles verglühte. Zwei der ehedem 37 Glocken der in Berlin so beliebten "Singuhr" überstanden das Inferno; sie waren beim Absturz irgendwo über dem Feuer hängengeblieben - alle anderen zerschmolzen.

Ekkehard Schwerk

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